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Wrabetz nimmt Abschied

15 Jahre stand er an der Spitze der größten Medienorgel des Landes. Eine kleine Bilanz.
ORF/Thomas Ramstorfer

Alexander Wrabetz zieht Bilanz

Seit Anfang 2007 steht Alexander Wrabetz als Generaldirektor an der Spitze des ORF. Er ist der einzige ORF-Chef, der drei Funktionsperioden nacheinander absolvierte. Mit 1. Jänner muss er den Chefsessel nun an Roland Weißmann abtreten. Wohin es ihn dann zieht, behält er weiterhin für sich. Angesichts seiner Karriere muss er sich aber wohl keine Sorgen machen, einen passenden Job an der Schnittstelle zwischen Kultur und Medien zu finden. Ein Überblick:

Wrabetz setzte sich als damals kaufmännischer ORF-Direktor 2006 bei der Generaldirektorenwahl gegen Monika Lindner durch. Er trat mit großem Eifer an („Größte Programmreform aller Zeiten“), der teils belohnt wurde, aber in manchen Belangen der nüchternen Realität weichen musste. Grundsätzlich kann der scheidende Generaldirektor für sich verbuchen, dass der ORF 15 Jahre nach seinem Antritt an der Spitze des Medienhauses weiterhin Marktführer bei TV, Radio und Onlinenachrichtenangebot ist.

Auch wirtschaftlich kann der heute 61-Jährige auf eine solide Bilanz verweisen. Seit der Finanzkrise 2008 fuhr der ORF ein Spar- und Restrukturierungsprogramm, mit dem kräftig Personal gekürzt wurde. Millionenverluste, die damals eingefahren wurden, konnte er im Tandem mit seinem Finanzdirektor und späteren Kontrahenten Richard Grasl drehen. Auch in der Coronapandemie steuerte er das größte Medienunternehmen des Landes wirtschaftlich stabil durch die Krise.

Ärger vonseiten der Redaktion zog sich Wrabetz wiederholt durch personelle Gegengeschäfte mit der Politik bzw. dem Stiftungsrat zu. So wollte er etwa 2011 Niko Pelinka, den engen Vertrauten der damaligen SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas, als seinen Büroleiter beschäftigen. Erst nach mehrwöchigem Protest gegen parteipolitische Besetzungen im ORF zog Pelinka seine Bewerbung zurück.

Zwischenzeitlich war Wrabetz aber auch der Unterstützung der SPÖ nicht gewiss. So zeigten der damalige SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann und sein Staatssekretär Josef Ostermayer phasenweise Lust daran, ihn abzusägen – was nicht geschah. Auch Attacken unter Türkis-Blau auf den ORF, etwa eine laut FPÖ bereits vereinbarte Abschaffung der GIS-Gebühren, überstand der Taktiker mit großer Stärke im eigenen Karrieremanagement. Medienpolitisch scheiterte er jedoch an der Durchsetzung einer ORF-Digitalnovelle. Sie steht seit langem auf dem Wunschzettel des größten Medienhauses des Landes, wird aber von privaten Medienhäusern und Verbänden kritisch beäugt.

Im Strukturbereich führte der ORF unter Wrabetz im Jahr 2009 die TV-Thek ein. 2011 wurde die Senderpalette um den Informations- und Kulturspartensender ORF III sowie ORF Sport + erweitert. Vor allem ORF III erwies sich als wichtiger Beitrag für die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags. 2018 installierte er Channelmanager für ORF 1 und ORF 2. ORF 1 blieb aber weiterhin Sorgenkind. Im gleichen Jahr startete das bis heute – nicht zuletzt aufgrund der ausgebliebenen ORF-Gesetzesnovelle – unrealisierte Player-Projekt. Die Gründung der Radiothek fiel wie die Schaffung der ersten multimedialen Abteilungen Wetter und Religion in das Jahr 2019.

 

Der Newsroom

Wenn die restlichen Ressorts 2022 mit Inbetriebnahme des neuen Newsrooms am Küniglberg in eine multimediale Struktur überführt werden, wird Wrabetz nicht mehr im ORF-Chefsessel sitzen. Gebaut wird an diesem 303 Mio. Euro schweren Projekt seit 2018. Stets betonte Wrabetz, dass man sich damit budgetär und zeitlich im Rahmen befinde. Kritik, wonach die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht ausreichend auf die Übersiedlung und neue Struktur vorbereitet seien, wies er zurück.

Seit Jahren betont Wrabetz, das Medienhaus zu einer „multimedialen Public-Service-Plattform“ machen zu wollen, wobei Social Media zur dritten Säule des ORF werden soll. Mit der Präsenz der ZiB auf Facebook (ca. 952.000 Abonnenten), Instagram (ca. 864.000 Abonnenten) und zuletzt auch TikTok (ca. 190.000 Follower) bewegt sich der ORF vorsichtig in diese Richtung.

 

Info-Offensive

Im Informationsbereich erweiterte der ehemalige Vorsitzende der SPÖ-Studentenorganisation VSStÖ das Auslandskorrespondentennetz auf nunmehr 16 Büros – Peking, Istanbul und Kiew kamen hinzu. Die Initiativen Bewusst gesund und Mutter Erde wurden ebenso ins Leben gerufen wie die Frühstücksendung Guten Morgen Österreich und eine vormittägliche Informationsschiene auf ORF III.

Die Durchschaltung der reichweitenstärksten Nachrichtensendung des Landes, der ZiB 1, schuf er 2007 ab. Seit dem Vorjahr ist sie als Reaktion auf die Coronapandemie und das damit einhergehend erhöhte Informationsbedürfnis jedoch wieder auf ORF 1 und ORF 2 zu sehen. Der Pandemie begegnete der ORF unter Wrabetz mit zahlreichen Sondersendungen und Liveübertragungen von Pressekonferenzen oder auch einer Impflotterie, für die sich über zwei Millionen Menschen anmeldeten. Kritik hagelte es für eine mit zahlreichen hochrangigen Politikern und Promis durchgeführte Licht ins Dunkel-Gala, die trotz harter Lockdown-Bestimmungen realisiert wurde.

 

Kult und Kultur

Mit Wrabetz an der Spitze meisterte der ORF 2015 auch eine österreichische Song-Contest-Austragung samt derer Kosten und führte die große Show Dancing Stars fort. Starmania feierte im Vorjahr ein Comeback. Die Bundesländershow 9 Plätze – 9 Schätze etablierte sich erfolgreich am Nationalfeiertag. Andere Sendungen wie Chili mit Dominic Heinzl oder Die große Chance kamen weit weniger gut an.

Den Kulturbereich ließ der Opernliebhaber nicht verkommen: Seien es Übertragungen von den Salzburger Festspielen, aus St. Margarethen oder auch des Sommernachtkonzerts, die Etablierung des Kultursommers oder die Klassiktalenteshow Goldene Note. Sportlich war die Abwicklung der Fußball-Europameisterschaft 2008 oder auch der Ski-WM 2013 als Host-Broadcaster. Zuletzt musste man bei den Sportrechten jedoch Abstriche machen. Die Rechte an den nächsten beiden Fußball-Europameisterschaften konnte sich der ORF nicht sichern. Und die Formel 1 teilt man sich seit vergangener Saison mit Servus TV.

Die Investitionen in die heimische Film- und Fernsehwirtschaft stiegen zuletzt mit jährlich rund 100 Mio. Euro leicht an. In Kooperation mit dieser entstanden etwa Serien wie Vorstadtweiber oder Schnell ermittelt und Reihen wie Braunschlag, Altes Geld oder M – Eine Stadt sucht einen Mörder.

 

Ruhige Fahrwasser

Ungeachtet all dieser Ereignisse hob Wrabetz gegenüber der APA als persönliche Höhepunkte etwas anderes hervor: „Am meisten bedeutet mir, den ORF sicher und mit ruhiger Hand durch die vergangenen 15 Jahre gesteuert zu haben, die wirklich nicht einfach waren. Der ORF ist für die anstehenden Herausforderungen programmlich, wirtschaftlich und technologisch gut aufgestellt und fit für die Zukunft. Darauf bin ich stolz.“

Bei seinem Antritt vor 15 Jahren hatte Wrabetz die „größte Programmreform aller Zeiten“ versprochen. Eingetreten ist diese summa summarum nicht. Von frühen Vorhaben blieb aber das Late-Night-Satireformat Willkommen Österreich bestehen. Es wurde erstmals 2007 ausgestrahlt und kann mittlerweile auf über 500 Sendungen verweisen. In der letzten Sendung vor Weihnachten war Wrabetz dort zu Gast. Dabei scherzte er über gefloppte Sendungen wie Österreichs schlechtester Autofahrer („Die Autofahrer waren schlechter als die Sendung.“) oder Mitten im 8en. Von letzterer lägen noch einige ungesendete Folgen im ORF-Fundus, verriet er. Den ORF bezeichnete er als das „wunderbarste Unternehmen“. Der Abschied davon bewege ihn, „irgendwann ist es dann aber auch gut“.

 

apa

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