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Staberl gestorben

Der umstrittene Kolumnist wurde 101 Jahre alt.
FOLTIN Jindrich/WirtschaftsBlatt/picturedesk.com

Richard Nimmerrichter 31.12. 1920 – 6.02. 2022

An Deutlichkeit ließ er jedenfalls kaum etwas zu wünschen übrig. Wo er stand, wen er unterstützte und wen er bekämpfte, daraus machte er nie ein Hehl. Und goss es in scharfe, manchmal beleidigende Worte, wie Gerichte feststellten, Tag für Tag in eine Spalte. Seit 1964 verfasste Richard Nimmerrichter seine Kolumne in der Kronen Zeitung. Sorgte damit für Gesprächsstoff, half aber auch mit, dass die Krone zur wichtigsten Zeitung des Landes wurde. Was für Auswirkungen das unter anderem hatte, kann man in der Arte-Dokumentation Tag für Tag ein Boulevardstück nachsehen.

Nimmerrichter schaffte aber noch einen Rekord: Bis 2002 erschien seine Kolumne, von zwei Ausnahmen abgesehen, ohne Unterbrechung. Die folgte danach, als sich der 1920 Geborene in die Pension verabschiedete. Sich aber 10 Jahre später, 2011, mit 90 Jahren wieder zurückmeldete. Jedoch nur für kurze Zeit, denn seine Ergüsse erregten dazumals keine Aufmerksamkeit mehr.

Seine Karriere als Journalist startete Nimmerrichter nach der Rückkehr aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft beim Amerikanischen Nachrichtendienst, schrieb für die Wiener Illustrierte, die Welt am Montag oder die Weltpresse. Sein Hauptthema damals: Der Sport. Damit schaffte er es 1959 auch in den österreichischen Rundfunk, wo er Ein Wort zum Sport verkündete.

1964 schließlich startete er als Kolumnist bei der Krone. Sein Begehr: Mit der Zunge des so genannten kleinen Mannes es den so genannten Großkopferten hineinsagen. Dafür legte er sich auch einen entsprechenden Spitznamen zu: Staberl, eine Figur des Wiener Volkstheaters des 19. Jahrhunderts.  Im Gewande des damaligen Mittelstandes tritt die Figur ungelenk, aber mit Mutterwitz, gegen die Obrigkeit an. Und sorgte damals unter den Zusehern für Lacher.

Der moderne Staberl brachte es jedoch nicht nur zu Lachern, sondern auch zu Empörung und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Über 100 Gerichtsverfahren soll es gegeben haben, 58 Mal wurde er verurteilt. Zumeist wegen übler Nachrede. Er trat vehement für Jörg Haider ein, zog gegen den damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde, Paul Grosz, ins Feld und verteidigte den damaligen Präsidentschaftskandidaten und späteren Bundespräsidenten Kurt Waldheim gegen alle Angriffe. Das brachte ihm Antisemitismusvorwürfe ein, die er Zeit seines Lebens zurückwies. Wie Nimmerrichter in einem späteren Interview darlegte, waren Konfrontation und das Pflegen von Feindbildern durchaus Kalkül. Nur eines, so der Kolumnist, habe ihn wirklich zur Weißglut gebracht: Menschen, die ihn ins „Nazi-Eck“ verorteten.  Die habe er mit allen ihn zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft.

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