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Mut-macher, Charme- Offensiven, VirenKiller

Keine Quarantäne für Kreativität: Die Kurve der Werbung mit Bezug auf Corona und die Folgen zeigt jetzt nach oben. Solche Kampagnen erzielen in der Regel hohe Aufmerksamkeit, gelten aber auch als Balanceakt. Denn die Unternehmen begeben sich auf ein heikles Gebiet.
© Adobe Stock

Sie präsentiert sich meist sehr unauffällig. Die Figur ist konventionell, das Outfit wenig spektakulär. Auch der Job ist auf den ersten Blick nur bedingt aufregend. Dafür sind ihre inneren Werte beachtlich, sofern das Umfeld gute handwerkliche Arbeit verrichtet. Im Zuge der Corona-Krise zeigte sie aber auch wieder besondere Talente in Sachen Marktkommunikation. Jene Kompetenz dürfte genug Beobachter verblüfft haben. Eine schnöde Pizzaschachtel als flotter Werbeträger ist schließlich kein Alltagsmenü.

Die gewohnten kreativen Geschmacksverstärker stammten von den Werbehelden. Jene Below-The-Line-Spezialisten fanden eine appetitliche Basis für Karton-Promotion vor: Während des Lockdowns gingen rund ein Drittel mehr Teigfladen an die Haushalte. Wer Tonno oder Funghi aus heroischen Objekten nehmen wollte, erhielt als Vorspeise Botschaften am Deckel und auf der Innenseite. Unter anderem von Netzbetreiber A1 oder Diskont-Mobilfunker HoT. Über 200.000 Objekte wurde laut diesen Ideen-Bäckern in den letzten Wochen geliefert. „Es geht auch um den Überraschungseffekt. Mit dieser Werbung rechnet niemand“, erläutert Werbehelden-Chef Ernst Buchinger.

Vielleicht konnten solche Behälter zusätzlich den latenten Hunger passionierter Werbefans stillen. Denn zu Beginn der Quarantäne drückten zahlreiche Unternehmen ohne langes Zögern den Stoppknopf für Claims und Content. Geplante Aktivitäten blieben in der Schublade oder wurden verworfen. In einer ersten Phase absoluter Verunsicherung und Unsicherheit über die Zukunft wagten sich Entscheider kaum aus der Deckung. Neben Bundesregierung und NGOs schalteten auch einige wenige Firmen Kampagnen, die sich mit der neuen Situation durch das Virus beschäftigten.

Im wahrsten Sinne des Wortes schnell geschaltet hat damals ein Möbelhaus aus Schweden. Fast zeitgleich mit dem Shutdown lief ein Spot, der die innere und äußere Befindlichkeit animiert auf den Punkt brachte. Unter dem vorsorglichen Motto: „Nie war es wichtiger, zu Hause zu sein, als jetzt“ sendete Ikea ein Signal. Gefolgt vom gesundheitlichen Cocooning-Appell „Bleiben wir gemeinsam zu Hause!“ Den Schlusspunkt setzte der hoffnungsvolle Hinweis „Machen wir das Beste daraus!“ 

Unsichtbares Bier

In Deutschland wiederum mischte Warsteiner Humor mit Verantwortung. Auf digitalen Flächen in Düsseldorf und Berlin forderte die Biermarke mit dem Sager „Werbung, die du gar nicht sehen solltest!“ Passanten zur verordneten Outdoor-Abstinenz auf. Der Hashtag #wirbleibenzuhause rief zudem die Aktion des Bundesministeriums für Gesundheit in Erinnerung. Das Unternehmen wollte jedenfalls Konsumenten zum Schmunzeln bringen und gleichzeitig an die Rücksicht jedes Einzelnen appellieren.

„Es gab eine intensive Auseinandersetzung, ob und wie wir in diesen Zeiten gebuchte Werbeflächen bespielen wollen. Oder so wie viele andere auch alles auf die Zeit nach dem Stillstand legen. Dann fiel aber die Entscheidung, in Zeiten von Kontaktverbot und Ausgehbeschränkungen ein Zeichen für mehr Solidarität und Zusammenhalt zu setzen. Durch diese Botschaft wurden die allgemein geltenden Verhaltensregeln mit einem gewissen Augenzwinkern unterstützt“, konstatiert Marcus Wendel, Marketing-Director der Warsteiner Gruppe.

Emotionale Unterstützung der Bevölkerung leistete aber auch der Austro-Lebensmittelhandel. Keineswegs nur durch jene heute bereits legendären weithin sichtbaren Megastapel aus Toilettenpapier und Haushaltsrollen in Supermärkten. Speziell die Ketten reagierten sehr rasch auf den Ausnahmezustand. Im Zentrum der Auftritte stand häufig gelebte Solidarität: „Österreich hält zusammen“ zeigte sich etwa Diskonter Lidl überzeugt. Gleichzeitig wurde Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden ein Dank über verschiedenste Kommunikations-Kanäle ausgesprochen.

Zuspruch konnten wohl auch alle Kreativkräfte vertragen. Denn in den Agenturen wurde das Berufsleben gleichfalls auf den Kopf gestellt, nichts fühlte sich mehr so an wie in den Tagen vor dem Shutdown. „Natürlich war vor allem der Beginn dieser Corona-Krise für unsere Branche wirklich nervenaufreibend. Geplante Kampagnen mussten abgesagt, verschoben oder angepasst werden. Rein handwerklich bestand dann teilweise zusätzlich noch der Zwang, bereits bestehende Werbung zu verändern“, erinnert sich Lukas Leitner, Chef der Agentur Cayenne.

Von Christian Prenger

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