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Messer-Attacke auf Journalisten

Lebensgefährliche Angriffe und Journalisten-Morde nehmen zu
© Pixabay

Der im deutschen Exil lebende regierungskritische türkische Journalist Erk Acarer wurde am Mittwochabend angegriffen. Die Attacke ereignete sich im Berliner Stadtteil Rudow im Bezirk Neukölln. Acarer wurde von mehreren Angreifern im Innenhof eines Wohnhauses mit Messer und Fäusten attackiert. Der Journalist erlitt eine Wunde am Kopf und musste behandelt werden. Das Landeskriminalamt (LKA) hat die Ermittlungen aufgenommen.

Noch am selben Abend twitterte Acarer ein Foto von sich und schrieb dazu: „Ich bin in meinem Haus in Berlin mit Messer und Faust angegriffen worden.“ Er sei nicht in Lebensgefahr. Der Journalist habe einige Schwellungen am Kopf und werde im Spital behandelt. „Ich kenne die Täter. Ich werde niemals vor dem Faschismus kapitulieren“, so Acarer. Er und seine Familie stünden unter Polizeischutz. In einem Video von Donnerstag früh sprach er von drei Angreifern. Acarer wurde in der Türkei gemeinsam mit anderen Journalisten angeklagt. Vorgeworfen wurde ihnen die Veröffentlichung von geheimen Informationen zur staatlichen Sicherheit und zu Geheimdienstaktivitäten. Hintergrund waren nach Angaben von Amnesty International unter anderem Berichte über einen in Libyen getöteten Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes.

„Direkte Botschaft“

Der ebenfalls im deutschen Exil lebende türkische Journalist Can Dündar sieht den Angriff als „direkte Botschaft“ des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan an. Damit wolle Erdogan deutlich machen, dass man einen „regimekritischen Journalisten sogar in Berlin angreifen“ könne. Auch die Journalistin Mesale Tolu, die 2017 mehrere Monate in der Türkei in Untersuchungshaft saß, verurteilte den Angriff. „So viele Menschen suchen Schutz in Deutschland und werden dann auch hier aggressiver Gewalt ausgesetzt. Das muss ein Ende haben“, schrieb sie auf Twitter.

Mordanschläge der vergangenen Jahre

Das Berufsrisiko für Journalisten ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Die Angriffe auf Acarer und Pieter R. de Vries, der bei der Tat lebensgefährlich verletzt wurde, reihen sich ein in eine traurige Liste von Anschlägen gegen Reporter.

Im Oktober 2018 wurde der saudi-arabische Journalist und Regierungskritiker Jamal Khashoggi in Istanbul ermordet. Seine Leiche wurde nie gefunden. Für den Mord verantwortlich gemacht wurde ein Spezialkommando aus Riad. Erst auf internationalen Druck räumte die Führung des islamisch-konservativen Königreichs den Mord ein. Der Prozess läuft noch immer.

Der griechische Blogger und Journalist Giorgos Karaivaz wurde im April 2021 vor seinem Haus in Athen erschossen. Zwei Männer flüchteten auf einem Motorrad, nachdem sie den Journalisten mit sieben Schüssen hingerichtet hatten. Bisher konnten die Ermittler noch kein klares Motiv oder Hinweise auf etwaige Hintermänner der Tat finden. Einen Zusammenhang mit der Berichterstattung des Reporters halten sie allerdings für wahrscheinlich.

Im Jahre 2006 wurde die russische Journalistin Anna Politkowaskaja in Moskau erschossen. Die damals 48-Jährige hatte sich als Kritikerin der Kriege in Tschetschenien einen Namen gemacht. 2014 wurden mehrere Männer aus der Nordkaukasusrepublik zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte erachtete den Fall 2018 als unzureichend aufgeklärt. Es sei von den russischen Behörden nicht angemessen ermittelt worden, wer die Drahtzieher waren.

Mexiko gehört neben Afghanistan und Irak zu den gefährlichsten Staaten für die Presse. Erst kürzlich wurde dort wieder ein Reporter ermordet. Benjamin Morales Hernández, Gründer und Chef des lokalen Nachrichtenportals „Noticias Xonoidag“ verschwand am 2. Mai 2021. Er wurde in Sonoita direkt an der Grenze zu den USA von Unbekannten aus seinem Auto verschleppt. Einen Tag später fand man seine Leiche, durchbohrt von vielen Schüssen. Morales Hernández erhielt vor seinem Tod einige Drohungen.

Daphne Caruana Galizia wurde nahe ihrer Wohnung in der maltesischen Hauptstadt Valletta im Oktober 2017 mit einer Autobombe getötet. Im Mordfall der Journalistin wurden mehrere Männer angeklagt. 2021 fiel ein erster Schuldspruch gegen einen geständigen Angeklagten. Als mutmaßlicher Drahtzieher allerdings sitzt inzwischen ein Unternehmer in Haft. Dieser ist an einem Kraftwerk beteiligt. Caruana Galizia soll vor ihrem Tod über Korruption im Zusammenhang mit dem Bau des Kraftwerks recherchiert haben. Die Hinterbliebenen erstreben eine Untersuchung über die Rolle der Regierung. Auch die EU-Kommission fordert vollständige Aufklärung.

Der 27-jährige Journalist Jan Kuciak und seine Verlobte wurden im Februar 2017 in ihrem Haus im slowakischen Dorf Velka Maca erschossen. Seine Reportage über mögliche Verbindungen italienischer Mafia-Clans zu slowakischen Regierungsmitarbeitern wurde postum veröffentlicht. Die Folge waren Massenproteste gegen Korruption. Daraufhin traten Regierung und Polizeipräsident zurück. Der Mann, der die tödlichen Schüsse abgegeben haben soll, und zwei Komplizen wurden zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der mutmaßliche Drahtzieher, der Millionär Marian Kocner, wurde hingegen 2020 in einem umstrittenen Urteil freigesprochen. 2021 kamen neue Beweise ans Licht. Das Verfahren gegen Kocner wurde wieder aufgenommen.

APA/red

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