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Marken als Allgemeingut

Wenn eine Marke generisch wird, bringt das nicht nur Vorteile.
© Adobe Stock

Generische Markennamen können sich völlig verselbstständigen – kaum jemand weiß etwa, dass „Fön“ eigentlich ein Markenname ist

Soletti, Tempo, Tixo – Beispiele für generische Markennamen gibt es viele. Eigentlich ist es der Traum jedes Unternehmens, dass seine Marke in aller Munde ist. Doch kann das auch Probleme mit sich bringen.

Von Martin Krake

Wenn ein Markenname umgangssprachlich zum Begriff für eine ganze Produktgruppe wird, spricht man von „generischen“ oder „generalisierten“ Markennamen. Beispiele dafür gibt es reichlich: So werden etwa Papiertaschentücher generell als „Tempo“ bezeichnet und Lippenpflegestifte als „Labello“, egal, ob es sich um die Originale handelt oder nicht. Manchmal wird der Markenname auch zu einem Verb: Wir googeln, kärchern und flexen.

Auf den ersten Blick sollte man erwarten, dass es für jedes Unternehmen ein Hauptgewinn ist, wenn seine Marke generisch wird. Kann man sich eine bessere Werbung vorstellen, als wenn Millionen die Marke ständig im Mund und im Kopf haben? „Die Vorteile liegen hierbei in einer großen Verbreitung der Marken und in einem positiven Image, das sie erhalten. Bestenfalls kann dies im Kopf des Verbrauchers zu einer Allein-stellung führen, die einen hohen Marktanteil erzeugen kann“, schreibt Inga Hahn-Wermuth auf slogans.de.

Verwässerung der Marke

Eine Generalisierung bringt aber nicht nur Vorteile mit sich. Sie kann auch zu einer völligen Verwässerung des Markenkerns und damit zu einer Entwertung der Marke führen. Wenn jedes Papiertaschentuch ein „Tempo“ ist, auch die billige Eigenmarke vom Diskonter – wieso sollte man dann ein Original-Tempo kaufen? Wozu ein echter Kärcher, wenn der Dampfstrahler aus China genauso gut kärchert?

Im schlimmsten Fall erkennen die Konsumenten die Marke irgendwann nicht mehr als solche. Das kann bis zum völligen Verlust der Markenidentität führen: Wer weiß beispielsweise schon, dass der Begriff „Fön“ eigentlich eine geschützte Marke ist und keine allgemeine Bezeichnung für einen Haartrockner? Das trifft die Marke in ihrem Kern, ihrer eindeutigen Identifizierbarkeit, dem Versprechen, dass nur dieses Original die Eigenschaften der Marke bietet.

„Zudem sind die Inhaber solcher generischer Marken oft nicht glücklich über deren allgemeinen Gebrauch. Denn dadurch wird die Marke verwässert und ihr Kern kommt ihr abhanden. Oft erkennen Verbraucher eine Marke nicht mehr, weil sie sie nicht mehr eindeutig identifizieren können“, schreibt der deutsche Rechtsanwalt Ralph Günther auf seinem Blog www.rgblog.de. Wenn dann der eigentliche Markeninhaber Werbung für sein Produkt macht, macht er die Werbung für die gleichartigen Produkte der Mitbewerber gleich mit – die auf diese Art kostenlos von einer Bekanntheit und einem Image profitieren, das sie nicht selbst aufgebaut haben.

Generalisierung durch Einzigartigkeit

Zur Generalisierung eines Markennamens kommt es vor allem durch die Konkurrenzlosigkeit bei der Einführung eines Produkts. Also dann, wenn ein Hersteller ein völlig neues Produkt auf den Markt bringt, für das es bisher nichts Vergleichbares gegeben hat – und damit auch keine allgemeine Bezeichnung. „Generische Markennamen entstehen, wenn ein patentrechtlich und markenrechtlich geschütztes Produkt ohne Konkurrenz in den Markt eingeführt wird, somit marktbeherrschend wird und in der Folge die Konsumenten später erhältliche gleichartige Konkurrenzprodukte mit demselben Namen benennen“, erklärt Wikipedia.

Sprachwissenschaftler sprechen vom „Bezeichnungsbedürfnis“: Für etwas, was es nicht gibt, braucht man keine Bezeichnung. Taucht etwas Neues auf, das es bisher nicht gab, muss dafür eine Bezeichnung her – und zwar schnell. Die Umgangssprache bevorzugt aber immer kurze, griffige Wörter gegenüber langen, umständlichen Begriffen. Je weniger Silben ein Wort hat, umso eher setzt es sich durch. Bezeichnungen, die sogar aus mehreren Wörtern bestehen, sind praktisch chancenlos. So hat umgangssprachlich etwa das „Handy“ das „Mobiltelefon“ vor allem deswegen besiegt, weil das Wort kürzer ist. Und niemand spricht von einem „mobilen Kassettenabspielgerät mit Kopfhörer“, wenn man dieses Ding auch einfach „Walkman“ nennen kann.

„Sprachökonomie“ nennt die Linguistik den Wunsch, sich mit möglichst wenigen und kurzen Wörtern auszudrücken. Markennamen erfüllen diesen Wunsch nach kompakten, eingängigen Begriffen sehr oft – es ist ja ihre Absicht, einprägsam zu sein. Daher werden sie im allgemeinen Sprachgebrauch besonders gerne aufgegriffen: Generalisierte Markennamen sind fast immer kürzer als die allgemeingültige Alternativbezeichnung (sofern es überhaupt eine gibt). Ob dieses Wort markenrechtlich geschützt ist, ist der breiten Masse völlig egal.

Oft wird aber auch nicht die Marke generisch, die zuerst auf dem Markt ist, sondern die erste, die intensiv beworben wird und damit weitreichende Bekanntheit erlangt. Tempo war bei seiner Einführung 1929 keineswegs das erste Papiertaschentuch auf dem deutschen Markt – aber das erste, das einen eingängigen Namen hatte. „Vielmehr sind die meisten generischen Marken die ersten Produkte, die in den Köpfen der Konsumenten nachhaltig Eindruck hinterlassen haben, weil sie etwas Besonderes zu bieten hatten, das andere (zu diesem Zeitpunkt) nicht hatten oder konnten“, schrieb Thorsten Retta 2011 in der Wirtschaftszeitung.

Kampf gegen die Sprachdynamik

Aber warum werden manche Markennamen generisch und andere nicht? Wenn die marktbeherrschende Stellung bei der Einführung eines neuen Produkts die wichtigste Voraussetzung für eine Generalisierung ist, wieso ist dann zum Beispiel das iPhone nicht zum Synonym für jegliche Art von Smartphone geworden? Es hätte die besten Voraussetzungen dazu gehabt. Dennoch ist es Apple gelungen, seine Marke effektiv zu schützen und von den Produkten der Mitbewerber zu trennen. Vielleicht auch, weil mit „Smartphone“ von Anfang an ein alternativer Begriff zur Verfügung stand, der mit seiner „Handlichkeit“ für den allgemeinen Sprachgebrauch geeignet war.

Tun Unternehmen also gut daran, bei der Einführung eines neuen Produkts gleich einen Alternativbegriff zu „installieren“? Red Bull hat gleichzeitig mit seinem Markennamen den bis dato unbekannten (und nicht geschützten) Begriff „Energy Drink“ etabliert, der auf jeder Dose direkt unter dem Markennamen steht. „1987 bringt Red Bull ein komplett neues Produkt auf den Markt und legt damit den Grundstein für eine völlig neue Produktkategorie – Energy Drinks“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Das damit ziemlich erfolgreich war: Red Bull ist Red Bull, alles andere sind eben Energy Drinks. Der Salzburger Hersteller verteidigt seine Marke und überlässt der Konkurrenz den Alternativbegriff.

Helge Haberzettl, Kreativchef der Wiener Markenagentur Identum, sieht noch einen anderen Grund dafür, dass iPhone und Red Bull nicht generisch wurden: „Bei den klassischen Beispielen für generische Markennamen, wie Tempo oder Tixo, stand in der Kommunikation immer die Funktion im Vordergrund, es gab wenig emotionale Aufladung – das war zu der Zeit vermutlich auch gar nicht notwendig. Ein iPhone hingegen war immer schon mehr als ein Smartphone und Red Bull mehr als ein Energiegetränk – es stand jeweils eine Idee, ein Gefühl oder eine Philosophie im Vordergrund. Vereinfacht könnte man also behaupten: Steht die Emotion bei einem Produkt im Vordergrund, scheint es fast unmöglich generisch zu werden – und ist auch gar nicht sinnvoll. Steht die Vernunft im Vordergrund (Küchentisch aufwischen) kann es schon ein Vorteil sein, ‚die Mutter aller Wischfetzen‘ zu sein.“

Kann ein Unternehmen den Vorgang der Generalisierung überhaupt beeinflussen? Immerhin handelt es sich um eine umgangssprachliche Entwicklung, die oft über einen sehr langen Zeitraum (Jahre, manchmal Jahrzehnte) stattfindet und sich entsprechend verfestigt. Mitbewerbern oder Händlern kann man verbieten, den eigenen Markennamen für ein fremdes Produkt zu verwenden – den Konsumenten dagegen nicht, denn für den allgemeinen Sprachgebrauch gibt es keine juristische Hand-
habe.

„Steuern kann man das meiner Meinung nach nicht so einfach, das ist von zu vielen Faktoren abhängig, vom Marktumfeld, der Akzeptanz des Publikums etc.“, so die Einschätzung von Michael Kapfer, einer der Köpfe der Agentur GGK MullenLowe. Auch Haberzettl sieht nur eingeschränkte Steuerungsmöglichkeiten: „Theoretisch kann man das beeinflussen, aber nicht für jedes Produkt. Wichtig ist, dass die Funktion im Vordergrund steht. Wobei es heute sicherlich deutlich schwieriger ist als noch zu Zeiten von Walkman und Co.“

Der Walkman als Präzedenzfall

Das heikelste Problem, das die Entstehung generischer Marken mit sich bringt, ist der drohende Verlust von Markenschutzrechten. Anders als Patentschutzrechte, die nach einer gewissen Zeit auslaufen, sind Markenschutzrechte solange gültig, wie die Marke tatsächlich genutzt wird, im Prinzip also ewig. Wenn ein Markenname aber in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist und es keine übliche Alternativbezeichnung gibt, kann das markeninhabende Unternehmen das Schutzrecht für diese Marke verlieren. Dann ist nämlich jeder Mitbewerber berechtigt, die Löschung der Marke zu beantragen. Der Name wird dadurch quasi „gemeinfrei“, ein Vorgehen gegen Mitbewerber oder Händler, die den Markennamen für ein fremdes Produkt verwenden, ist dann unmöglich. Das kann eine Marke praktisch wertlos machen.

Das musste etwa der japanische Elektronik-Riese Sony erfahren: Der Oberste Gerichtshof in Wien entzog Sony 2002 nach jahrelangem Rechtsstreit die Schutzrechte an der Marke „Walkman“. Ein kleiner Händler aus Wien hatte den Namen für Konkurrenzprodukte verwendet und wollte den Abmahnungen des Konzerns nicht nachgeben, so wie es zuvor viele andere, etwa der Filialist Hartlauer, getan hatten. Der OGH gab dem Händler nach acht Jahren als letzte Instanz recht – und begründete dies u.a. damit, „dass den genannten Marktteilnehmern kein annähernd gleichwertiger Alternativbegriff zur Verfügung steht, um damit Konkurrenzprodukte […] zu benennen, die Marke der Klägerin [gemeint ist Sony, Anm.] also die einzige gebräuchliche Bezeichnung für derartige Waren ist und damit insoweit wie ein Monopol wirkt.“ Die Alternativlosigkeit des Begriffs war also ein wichtiger Grund für den Entzug des Schutzrechts. Weiter hieß es in der Urteilsbegründung: „Umgangssprachlich hat sich das Wort Walkman rasch nach der Markteinführung des neuen Produkts als allgemeine Bezeichnung für tragbare Kassettenrecorder mit Kopfhörern eingebürgert und fand schon 1986 im deutschen Sprachraum unter dieser und ähnlicher Definition Eingang in Wörterbücher.“

Der Walkman war beim Urteilsspruch als Produkt längst obsolet, außerdem gilt das Urteil an sich nur für Österreich. Dennoch war dies ein Präzedenzfall, mit dem in der Branche kaum jemand gerechnet hatte. Entsprechend groß war die Beachtung weit über Österreich hinaus.

Googles Präventivmaßnahmen

Natürlich hat man das auch bei Google mitbekommen. Der Suchmaschinen-Konzern versucht daher zu verhindern, dass das Verb „googeln“ generisch wird. Nach dem Willen des Konzerns darf man dieses Verb nur dann benutzen, wenn man tatsächlich mit Google sucht, nicht aber bei Verwendung irgendeiner anderen Suchmaschine. Dabei setzt Google nicht nur auf Gerichtsverfahren, sondern auch auf sanften Druck: Anwälte des Konzerns haben 2005 weltweit Briefe an Zeitungsredaktionen und Verleger von Wörterbüchern verschickt, um diese dazu aufzufordern, das Wort „googeln“ nicht mehr im allgemeinen Sinne von „im Internet suchen“ zu verwenden. Auch der Brockhaus-Verlag, der den Duden herausgibt, bekam einen solchen Brief. Und ließ sich einschüchtern: „Wir haben der Bitte nachgegeben – auch um einen Rechtsstreit zu vermeiden“, hieß es damals vonseiten der Duden-Redaktion. Seitdem steht im Duden beim Begriff „googeln“: „mit Google im Internet suchen, recherchieren“.

Ob das wirklich etwas bringt, ist ungewiss – der Bevölkerung kann man die Benutzung dieses Wortes nämlich auch mit den besten Anwälten nicht verbieten. Die wird auch weiterhin auf Yahoo oder Bing googeln, wenn ihr der Sinn danach steht. Der allgemeine Sprachgebrauch lässt sich so einfach nicht reglementieren.

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