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Hör mal zu

Was hinter Podcasts steckt: Nur ein Trend oder doch ein langfristiger Medienwandel?
© Adobe Stock / Jens Jensen

Podcasts werden vor allem bei der jungen Zielgruppe immer beliebter

Lineares Hören ist out – jetzt hört man Podcasts. Sie treffen genau den Nerv der Zeit: Jeder hat zu viel zu tun, man würde am liebsten alles sofort machen und am besten noch gleichzeitig. Dafür sind Podcasts genau das Richtige. Der Name setzt sich aus der englischen Rundfunkbezeichnung „Broadcast“ und der Bezeichnung für den iPod, Apples tragbaren MP3-Player, zusammen. Sie sind also quasi ein mitnehmbares Radio, bei dem man selbst Kontrolle über das Programm hat. Und genau das ist ihr Vorteil.

Sie eignen sich gut zum Nebenbei-Hören – und das in allen Situationen. Auf dem Weg zur Arbeit, im Fitnessstudio, im Wartezimmer, im Urlaub, bei der Hausarbeit oder beim Mittagsspaziergang. Rein theoretisch könnte man den gesamten Haushalt schmeißen und dabei Podcasts hören – bei Videos oder Zeitungsartikeln geht das nicht. Audioformate sind unkompliziert und können selbst dann konsumiert werden, wenn die Augen und Hände mit anderen Aufgaben beschäftigt sind oder bewusst eine Pause bekommen sollen. Egal wo man ist, was man gerade macht – die Audiodatei kann immer nebenbei laufen. Kein Wunder also, dass Podcasts geradezu wie Schwammerl aus der Erde schießen. Die Zahl der Podcast-Anbieter explodiert. Obwohl der Hype schon vor ein paar Jahren begonnen hat, scheint es, also würde der Markt noch immer stetig weiterwachsen. Immer mehr Podcast-Formate werden gestartet, immer mehr werden gehört.

Mittlerweile gibt es unzählige verschiedene Kategorien: Von Lifestyle, wie etwa Liebesgespräche oder Meditations-Übungen, über Reportagen, Interviews oder Krimis bis hin zu Comedy und Unterhaltung. Doch was genau ist das Geheimnis eines wirklich guten Podcast? Wird dieses Medium einen Wandel bewirken oder ist der Trend bald schon wieder passé?

Intimes Medium

Einer der bekanntesten Podcasts Österreichs ist „Buchingers Tagebuch“ von Michael Buchinger. Der YouTuber und Comedian startete seinen Podcast, bei dem er munter aus dem Nähkästchen plaudert und seine persönlichen Gedanken und Geheimnisse offenbart, im September 2018. Wöchentlich berichtet er in komödiantischer Art und Weise über sein Leben und redet über die verschiedensten Themen. Er liebt das Format, da die Produktion einer Folge um einiges schneller geht als beispielsweise eines seiner YouTube-Videos. „Ich spreche in der Regel 30 Minuten lang, höre mir das Gesprochene danach noch zwei oder drei Mal an und kürze dabei meine Versprecher raus. Das heißt, pro 25-minütiger Folge sind es meistens anderthalb Stunden Arbeit.“ Für ihn ist der Podcast ein sehr intimes Medium: „Man sitzt den Leuten ja direkt im Ohr, und das auch noch über längere Zeit.“ Daher sei es auch wichtig, dass die Sprecher offen, möglichst ehrlich und frei erzählen. „Ich merke es fast immer, wenn sich die Moderatoren zu sehr an ein Skript halten, und finde das oft sehr unangenehm“, meint der 26-Jährige.

Er selbst hört am liebsten „Watch What Crappens“, ein Podcast, bei dem zwei Männer die US-Reality-Show „The Real Housewives“ kommentieren, oder „Paardiologie“, bei dem Charlotte Roche und ihr Mann regelmäßig einen Seelen-Striptease hinlegen.

Start eines Podcasts

Es ist nicht abzustreiten, dass sich die Nutzergewohnheiten der Konsumenten nachhaltig verändern. Es reicht heute nicht mehr, Informationen über ein einziges Format zu verbreiten. Stattdessen werden Informationen in verschiedene Formate verpackt, damit jeder Rezipient das für ihn passende findet. Auch viele Zeitungsunternehmen werden zu Podcastern und starteten ihren eigenen Podcast: Angefangen beim Kurier und dem Falter über den Standard bis hin zur Wiener Zeitung.

Auch die 23-jährige Journalistin Ambra Schuster ist mit einem Podcast für die Kleine Zeitung auf Erfolgskurs: „Popcast“ ist ein Musikpodcast, bei dem in jeder Folge Musiker und Musikerinnen zu Gast sind und erzählen, wie ein Song entstanden ist – dazu werden Songelemente abgemischt. Das Format wurde unter dem neuen Wien-Projekt der Kleinen Zeitung, „Wien Memo“, veröffentlicht. Hier war das Ziel, neben einem Newsletter-Format auch viele neue Podcastformate auszuprobieren.

Der „Popcast“ kommt gut bei den Zuhörern an, weil er mit ca. einer halben Stunde recht kurz ist, weil man Künstler von einer anderen Seite kennenlernt und weil er gut produziert ist. „Der Popcast ist kein klassisches Gesprächsformat. Interviewformate funktionieren in vielen Bereichen gut, ich wollte aber bewusst etwas machen, wo ich mich als Journalistin zurücknehme und Künstler frei sprechen lasse. Das bietet sich bei einem Musikformat natürlich mehr an als beispielsweise bei Politikern.“

Prinzipiell scheint es, als wäre es nicht allzu schwer, einen Podcast zu starten. Man könnte theoretisch überall ein kleines Studio aufbauen. Es empfiehlt sich allerdings schon, in geeignetes Equipment zu investieren, wie etwa ein hochwertiges Mikrofon und einen Pop-Schutz, meint Podcaster Buchinger: „Es überrascht mich immer wieder, wie viele Leute ihre Podcasts einfach mit dem Smartphone oder dem eingebauten Mikrofon ihres Laptops aufnehmen. Vielleicht bin ich zu kritisch, aber ich finde, das hört man immer sofort, und es stört mich beim Zuhören.“ Ein guter Podcast muss gut klingen und angenehm zu hören sein. Außerdem benötigt man ein interessantes Konzept. „Es muss nicht unbedingt etwas Neues sein – entweder interessante Personen im Gespräch, damit es einen gewissen ‚Celebrity-Charakter‘ hat, oder ein spannendes Thema“, meint Schuster. Ein eindeutiges Kochrezept gibt es für einen guten Podcast allerdings nicht.

Sollte man jetzt einen Podcast starten wollen, ist dennoch anzuraten, sich etwas Eigenes, Neues zu überlegen. „Was es noch braucht, sind neue Formatideen. Und nicht noch zehn Gesprächs-Podcasts, was sich ja bei Zeitungen am meisten durchsetzt. Sondern Podcasts, die aufwendiger produziert sind und irgendwie einen Dreh in den Formaten haben.“

Das neue Werbemedium?

Podcasts lassen sich sehr gut mit dem altbekannten Radio vergleichen. Dieses wird großteils durch Werbeeinnahmen finanziert – und auch bei Podcasts gibt es diese Möglichkeit. Als Podcaster kann man sich von einer Firma sponsern lassen und dafür beispielsweise am Anfang einer Folge einen Satz einspielen wie: „Der Podcast wird präsentiert von…“ Auch reguläre Audio-Spots sind erwägenswert. Abgesehen von der Werbung bieten sich allerdings auch Abo-Modelle oder Bezahlschranken an. Der Podcast der New York Times beispielsweise ist eine Woche kostenlos, danach gibt es ihn als Abo zu kaufen.

Das Podcast-Unternehmen „Missing Link“ betreibt selbst Podcasts, vermarktet sie und erstellt für Unternehmen und Institutionen sogenannte „Corporate Podcasts“, so wie es auch Kunden- und Mitarbeiter-Magazine gibt. Zu ihrem Netzwerk zählen derzeit zwölf österreichische Podcasts. Ihr journalistisches Leuchtturmprojekt „Ganz offen gesagt“, das sich an Politikinteressierte in Österreich richtet, wird von den Geschäftsführern Julia Ortner, Sebastian Krause und Stefan Lassnig selbst betrieben. „Wir haben bereits gute Erfahrungen mit Vermarktung gemacht und sehen hier einen wachsenden Markt. Zu unseren Kunden zählen unter anderem die SVA, Coca Cola, Wien Energie und das Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus“, so Lassnig, Geschäftsführender Gesellschafter bei „Missing Link“.

Ein Vorteil bei Podcast-Werbung ist laut Lassnig, dass die Akzeptanz für Podcast-Werbung sehr hoch ist und – durch die Nähe zum Hörer und die hohe Aufmerksamkeit – extrem effektiv ist. Daneben erreicht man mit Podcast-Werbung junge, in der Regel gebildete und gutverdienende Zielgruppen, die mit klassischer linearer Werbung nur sehr schwer zu erreichen sind.

Auch Buchinger meint, dass sich Werbung in Form von klassischen Werbeblöcken gut anbietet. Man sollte aber darauf achten, dass der Werbeteil in Relation zum restlichen Podcast nicht zu viel Zeit einnimmt. Er selbst macht, obwohl schon einige Angebote auf dem Tisch lagen, bisher keine Werbung in seinen Podcasts. „Es gab hin und wieder Anfragen, aber ich glaube nicht, dass ich einer dieser Podcaster sein will, der in jeder vierten Folge Werbung hat – entweder ganz, also in jeder Folge, oder gar nicht“, so Buchinger.

Zukunft

Ob Podcasts auch in der Zukunft auf der Hype-Welle weiterschwimmen, ist vor allem davon abhängig, wie regelmäßig und ernsthaft sie geführt werden und wie viel Medienhäuser bereit sind, dafür zu investieren, meint „Popcasterin“ Schuster. Grundsätzlich ist es so wie mit Netflix und dem Fernsehen: Vor allem Jüngere schauen lieber On-Demand-Formate, und dasselbe entwickelt sich jetzt auch bei Audio-Formaten. Podcast könnte also in gewissen Bereichen das Radio ablösen, denn die „Generation Netflix“ ist darauf eingestellt, Inhalte zu konsumieren, wann, wie und wo sie will.

Dass der Hype irgendwann aufhören wird, glaubt Schuster nicht. „Aber wie breit er noch in die Masse gehen wird, trau ich mich nicht zu prognostizieren.“ Buchinger meint, dass die Verbreitung von Podcasts im Laufe der Zeit noch zunehmen werde. „Selbst Leute, die sich sonst gar nicht für die sozialen Medien interessieren, keine YouTube-Videos schauen und nicht einmal Instagram haben, hören dennoch Podcasts.“

Von Beate Binder

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