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Gegen den Strom

Während rings um uns die Befindlichkeiten der Medienhäuser sich zwischen „schlimm“ und „verzweifelt“ bewegen, halten wir die Flughöhe. Zur unserer eigenen Überraschung. Hier der Versuch, Erklärungen dafür zu finden.
©privat

Irgendwie muss ich, wenn ich dieses Heft (wieder einmal mit 342 Seiten) in Händen halte, innerlich grinsend an das Dorf Erquy in der Bretagne denken. Wenn Ihnen das nichts sagt – natürlich kennen Sie es: Erquy gilt laut Hobby-Archäologen als das „kleine gallische Dorf“ von Asterix und Obelix, das erfolgreich den Römern Widerstand geleistet hat. Und irgendwie kann ich es nicht fassen, dass unser Verlagshaus – wider alle Prognosen – der Krise so erfolgreich trotzt. Die Kommentare der Kollegen reichen von „unglaublich, wie ihr das schafft“ über „garantiert alles verschenkt“ bis zu „unfassbar – das schafft nur der Mucha“.

Dazu kommt noch das Phänomen, dass wir in der Geschichte unseres Verlagshauses – und die reicht mittlerweile fast fünf Jahrzehnte zurück – das, was uns da heuer widerfahren ist, noch nie erlebt haben. Wir hatten uns für 2023 wohl gewappnet. Ahnend, dass das heftig werden wird. Steigende Druckpreise, explodierende Papierkosten, höhere Vertriebskosten, zu wenig Mitarbeiter – und wenn’s so hart wird, trotzdem zu viele – sowie eine Verdoppelung der Energiekosten. Dazu noch ein rezessiver Anzeigenmarkt. Vor dem einem nur Angst und Bange werden kann. Entsprechend vorsichtig waren wir in die Planung gegangen. Zumindest mein treuer Geschäftsführer Dominik Unger, meine Frau Ekaterina (das Rasiermesser der Branche, wenn’s ums Sparen geht) und Dr. Walter Kristen, unser Steuerberater, der jede notwendige Zahl mit beängstigender Präzision aus dem Bilanz-Zauber-Hut auf Knopfdruck parat hat, warnten eindringlich. 

Der Einzige, der’s nicht so vorsichtig anging, war wieder einmal ich. Ich gebe zu, ich bin ein rettungsloser Optimist. Und glaube erst, dass die Dinge nicht funktionieren werden, wenn’s eingetreten ist. Ist es aber nicht. Nie. Nicht einmal 2008, als alle glaubten, die Welt würde untergehen. Heute wären wir glücklich, wenn uns das Szenario von 2008 für 2023 beschieden wäre.

Also habe ich ein Forecast mit minus 5 Prozent auf das Jahr 2022 angesetzt. „Du spinnst“, warnten mich meine Mitstreiter. „Viel zu optimistisch“, meinte der Steuerberater.

Und dann ist etwas passiert, womit wir in unseren kühnsten Träumen nicht gerechnet hatten: Am 24. Februar 2023 hatten wir 118 Prozent des Gesamtjahres-Forecasts an Aufträgen bereits im Haus. Mit heutigem Tag, dem 10. März 2023, liegen wir an bereits im Haus eingetroffenen Aufträgen fett über dem Gesamtjahres-Forecast. Was mit anderen Worten heißt: Wenn mich morgen der Blitz erschlägt, dann ist das Jahr gelaufen. Und was jetzt kommt, ist reine Freude. Unternehmerisch gesprochen: Es erweitert unsere Gewinne. Wobei die Rechnung natürlich nicht ganz stimmt, weil man da erst mit den gestiegenen Kosten fertig werden muss, die auf der anderen Seite fett zu Buche schlagen. Trotzdem – ich hätte nie geglaubt, dass so etwas möglich ist.

Und ringsherum jammern alle. Auf Verlagsseite kein Wunder. Ohne mich jetzt – wiewohl ich die exakten Zahlen kenne – zu weit aus dem Fenster zu lehnen: Aber wenn Tageszeitungen Millionenverluste einfahren, wenn Diva und Miss eingestellt werden, wenn das look-Magazin an die Chefin verkauft wird, wenn ein Management-Buyout bei der größten Wochenzeitschriften-Gruppe gescheitert ist, wenn das Seitenblicke-Magazin einem neuen Produkt, nämlich Live & Style, weichen muss, dann wird man einigermaßen nervös. Wenn Eva Dichand (Herzliche Gratulation zum Fünfziger!) „erfrischend offen“, wie es ihr Chefredakteur Christian Nusser nennt, „das ausspricht, was alle denken“ und wortwörtlich im Interview mit Conny Bischofberger meint: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass sehr viele Zeitungen – sagen wir in wenigen Jahren – von Montag bis Freitag nicht mehr erscheinen werden“, dann stimmt das nicht gerade fröhlich.

Wobei ich die Sache noch am lockersten betrachten kann. Denn wenn es mit 69 Jahren fast ein halbes Jahrhundert lang geklappt hat und man sich täglich die Frage stellt, wie lange das noch geht, dann ist das mit einer gewissen Leichtigkeit verbunden. Das Glas ist sowieso schon randvoll. Da ist das Problem, wenn nichts mehr dazu kommt, nicht so groß. Und wenn’s überläuft, schadest du eh nur der eigenen Gesundheit…

Nun werden Sie, geschätzte Leser, sich fragen: Wie macht das der Mucha? Wiewohl ich es selber nicht so ganz genau weiß, darf ich an dieser Stelle versuchen, eine Reihe von Erklärungen dafür zu finden, warum die Uhren bei uns anders gehen. Warum wir in Erquy wohnen. Und nicht in Bettelsheim an der Pleite.

Zum einen: Der Mucha machts gar nichts alleine. Denn ich hätte keine Chance, ein 342-Seiten-Heft aus dem Boden zu stampfen, wenn es da nicht eine Reihe von immens routinierten, bienenemsigen, kreativen Mitstreitern gäbe, die mit mir eines verbindet: Herzblut, Courage und die Bereitschaft, an die eigenen Grenzen zu gehen. Da wir seit zweieinhalb Jahren in der Chefredaktion keine Verstärkung finden, haben wir selber junge Mitarbeiter ausgebildet. Die sich, wie die Damen Larissa Bilovits und Hannah Minichshofer, hervorragend entwickelt haben. Das Produktionsteam besteht aus alten Hasen. Die mich schon seit Jahrzehnten begleiten. Unser Geschäftsführer Dominik Unger ist seit fast zehn Jahren an Bord, Lektor Martin Krake seit mehr als acht. Und die Neuen, ein Dreigestirn im Sekretariat, haben sich in kürzester Zeit hervorragend eingearbeitet. Branchenprofis, die noch Freude an der 40-Stunden-Woche haben (ja, das gibt es noch, freilich nur mehr vereinzelt) und das Geschäft in anderen Verlagen gelernt haben. Dazu eine Vielzahl von freien Mitarbeitern, ohne die wir diese Datenmenge niemals bewältigen könnten.

Das Geheimnis des Erfolges liegt wohl in den Storys. Keiner unserer Mitbewerber wurde jemals von der Kronen Zeitung eingeladen, vor der Wahl der neuen ORF-Direktion in einem Interview die Namen der Kandidaten zu prophezeien. Mich haben sie eingeladen. Meine Trefferquote lag bei über 90 Prozent. 

Angesichts solcher Geschichten ist man dann halt irgendwann einmal als „Medienexperte“ anerkannt. Und wem wird man, wenn es um eine Medienfachzeitschrift geht, demnach wohl das Werbegeld anvertrauen? Damit wäre die nächste Frage beantwortet. Zum Dritten haben viele der Kunden „Print“ gestrichen. Weil aber unsere Kombination aus tagesaktuellen News und dem Heft auch einmal mit längeren, tragenden Geschichten, mit spannenden Interviews nach wie vor anspricht, machen viele Unternehmen für uns eine Ausnahme. Jene, die Print komplett aus ihren Auftragsbüchern gestrichen haben, sind im ExtraDienst noch immer dabei.

Dazu kommt, dass wir unbestechlich sind und ich – abgesichert durch meinen persönlichen Wohlstand – keine mehr Rücksichten nehmen muss. Was die Qualität des Geschriebenen deutlich anhebt. Wovon all jene ein Lied singen können, die sich dieser Tage verzweifelt zersprageln, um die Kunden noch dazu zu bringen, ein paar Netsch an Werbegeld über den Tisch zu schieben. Doch das Opfern der eigenen Unabhängigkeit hilft dann schließlich auch nichts. Weil die Leser fehlen. Und man fällt dennoch beim Kunden auf die Schnauze.

Das Geheimnis unseres Erfolges liegt in Details. In Kleinigkeiten. In Nebensätzen. Wenn etwa Richard Grasl sich im großen Interview erstmals über die größte Zäsur in seinem Leben äußert. Noch nie hat der Aufsteiger des Jahres, ein Mann, auf den noch vor einigen Jahren aus obgenanntem Grund keiner auch nur einen Heller gewettet hätte, zum stellvertretenden Chefredakteur des Kurier noch die profil-Geschäftsführung dazu bekommen. Sehr lange wird der Vertrag von Martina Salomon nicht mehr weiterlaufen. Und auch Thomas Kralinger wird nicht mehr viele Jahre in seiner Funktion weitermachen, wie mir Insider verrieten. Womit Grasl keine schlechten Karten für die Zukunft im Kurier haben dürfte. Vorausgesetzt, er stemmt das mit dem profil. Eine schwierige Übung.

Dass es dennoch ein paar „Wahnwitzige“ gibt wie Uschi Pöttler-Fellner, die jetzt die Anteile des look-Magazins übernimmt, hat mich darin bestärkt, gar noch auf meine alten Tage ein neues Projekt zu wagen. Wer mit 69 Jahren ein Magazin samt tagesaktueller Homepage, kombiniert mit einer eigenen Fernsehsendung, 150 Trailern in der Woche und 2-2,5 Millionen Sehern per week auf den Markt bringt, der ist wohl nicht mehr zu retten. Unsere neue Zeitschrift Check-list, das Magazin für Vorsorge, Blackout und Survival, verspricht ein großer Hit zu werden. Als ich das bekannt gab, grinsten sich manche meiner Freunde eins: „Das ist der Sieg der Hoffnung über die Vernunft“, ätzten sie. Nun, genau aus diesem Projekt sind die feinen Zuwächse, die wir heuer haben. 

Es ist ein Markt, der von kaum einem erkannt wurde. Ein Markt, der gewaltig groß ist (ca. 2000 Kunden). Ein Markt, über den ganz Österreich spricht. Der freilich dominiert ist von Angst. Da ein Projekt zu starten, das darauf basiert, den Menschen die Furcht zu nehmen und nicht sie zu schüren, Auswege zu zeigen, Vorsorge zu betreiben, Nachhaltigkeit zu fördern – da lacht das Herz bei den Kunden. Und sie sind bereit, zu investieren. Auch gegen den Werbe-Strom.

Und dann wären da schlussendlich noch die Exklusivstorys. Nur im ExtraDienst lesen Sie, wohin es ORF 2-Channelmanager Alexander Hofer zieht (Seite 18) und wer sich im letzten Jahr bewährte, wer sich schwertat. Und wer abstürzte. Und dies auf sagenhaften 28 Seiten in der Rankinglist Kommunikator. Insgesamt 35 Juroren haben uns die Ehre gegeben und nach bestem Wissen und Gewissen gevotet. 

An dieser Stelle eine kleine Anmerkung: Es dürfte sich in der Branche herumgesprochen haben, dass ich den einen oder anderen Feind habe. Nun bin ich, was Wertungen betrifft, ganz besonders heikel, wenn es um meine Widersacher geht. Denn es ist eine Frage des Charakters, wenn man jene, die einem übel wollen, ganz besonders sorgfältig behandelt. Wir haben daher bei all jenen, mit denen ich mich – bekannterweise – nicht, schlecht oder extrem schlecht verstehe (ja, das soll es geben – und ist meist darauf zurückzuführen, dass ich in meiner rücksichtslosen Art Reportagen zugelassen habe, die diejenigen welchen nicht so strahlen ließen, wie sie sich selbst im narzisstischen Spiegelbild sehen) besondere Sorgfalt darauf gelegt, dass jene unter keinen Umständen behaupten können, ich oder wir hätten sie in der Rankingliste schlecht behandelt. Sie mit wenigen Punkten abstürzen lassen. 

All jene, um die es hier geht, haben von uns exakt den Median der Stimmen, die sie von den anderen Juroren erhielten, bekommen. Sprich den mathematischen Durchschnittswert. Wenn also Herr Schmalpilz von allen Juroren an die 89. Stelle gewählt wurde und selber der Meinung ist, er würde unbedingt unter die Top 10 gehören, dann haben wir ihn an dieser Stelle natürlich belassen. Ich warte ja auf den Tag, wenn irgendjemand versucht, unsere Liste anzufechten. Der wird sich gehörig schneiden. Ich habe von den letzten zehn Jahren alle Fragebogen aufbewahrt und kann mit notarieller Beglaubigung aufwarten, dass jeder genau dort ist, wo er hingehört und wohin ihn die Juroren gewählt habe. Ich meine, das ist eine Sache der Ehre.

Also hoffe ich für Sie, dass Sie, so wie wir, die Krise als Chance sehen. Dass Sie so wie wir hart arbeiten (ja, natürlich war es um ein Eckhaus schwieriger, an die Aufträge und die Umsätze zu kommen, als in den letzten Jahren, aber dann arbeitet man eben härter) und dass uns allen beschieden ist, dieses vermaledeite Jahr 2023 ohne gröbere Verluste zu überstehen.

Herzlichst Ihr

Christian W. Mucha 

Herausgeber

P.S.: Hätten Sie sich vor Jahr und Tag vorstellen können, dass Susi Knasmüller aus Ampflwang die gesamte Medien- und Werbebranche aufmischt? Dass eine Ampflwangerin ein völlig weltfremdes Gesetz kreiert, das mit der täglichen Arbeitssituation in der Medienbranche nicht kompatibel ist? Susi Knasmüller ist der ledige Name von Susanne Raab, der heimischen Medienministerin. Und was sie mit ihrem Transparenzgesetz den handelnden Personen im Geschäft angetan hat, spottet jeder Beschreibung. 

Ein Beispiel: Tagesaktuell muss nun reportet werden. Doch tägliche Berichte sind dann nicht möglich, wenn die Zeitschriften alle paar Wochen Sammelrechnungen versenden. Denn du kannst ja nur das berichten und melden, was dir an Fakturen vorliegt.

Wird freilich nicht täglich gemeldet, dann machen sich die Verantwortlichen strafbar. Martin Schipany, Pressechef des Presse- und Informationsdienstes der Stadt Wien, beschwerte sich in einem durchaus interessanten Interview in unserem Konkurrenz-Medium Medianet jüngst wie folgt: „Das, was in dieser Novelle drinnen steht, ist – jetzt aus einer rein administrativen Sicht – eine mittlere Katastrophe. Das ist eine völlige Ignoranz dessen, was an Mehrarbeit auf die Rechtsträger zukommt. Das geht gar nicht.“

Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Nur: Auch mit dem ORF hat die gute Frau Raab keine besonders glückliche Hand. Ich habe ihr vor Jahr und Tag in einem Gespräch scherzhalber vorgeschlagen, sich passend zu ihrer Köstümjacke einen Sarg zu besorgen, wenn sie ihre Pläne – wie mir damals erläutert – umsetzt. Weil sie es dann schaffen würde, alle Medien – selbst die schärfsten Konkurrenten – zu vereinen und sich zu Feinden zu machen. „Damit schaden Sie dem gesamten Medienstandort, allen Medien, aber auch Ihrem Kanzler, Ihrer Partei und der Regierung“, meinte ich damals trocken. Doch die Susi Knasmüller zieht das durch. Zum Entsetzen aller. Ich glaube, schlussendlich verbockt sie das. Aber wir werden das ja demnächst sehen.

Der Obige.

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