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Für immer jung

©privat

Okay, ich bin ein Fossil – aber deshalb noch lange nicht senil. 

Die Seele kommt alt zur Welt und wird jung. Das ist die Komödie des Lebens. Der Leib kommt jung zur Welt und wird alt. Das ist die Tragödie des Lebens.“ Der Mann hat sich zeit seines Lebens mit dem Altern beschäftigt. Mit der Macht der Jugend. Wie damit umgegangen wird. Er lebte von 1854 bis 1900. Er ist mein absoluter Lieblingsautor. Seine Ansichten und Einsichten sind hochaktuell. Ich bin 100 Jahre später geboren. Leider werde ich an seine brillant pointierten Formulierungen, an seine eleganten Aphorismen niemals auch nur im Entferntesten herankommen. Oscar Wilde verzweifelte in seinem „Bildnis des Dorian Gray“ schier daran, dass nur Schönheit und Jugend etwas zählen. Wenn die verflogen sind, dann muss man im fortgeschrittenen Alter erbärmliche Attacken erdulden. 

Der Zyniker und bekennende Schwule (was ihn prompt ins Gefängnis brachte) Wilde ging mit den „Damen über Fünfzig“ (André Heller) freilich auch nicht gerade zimperlich um. Er schrieb: „Man sollte niemals einer Frau vertrauen, die einem ihr wirkliches Alter sagt. Eine Frau, die einem dies sagen würde, würde einem jedes beliebige sagen.“ 

Die Alten wurden schon damals gebasht. Nur nannte man das halt anders. In unserer einschlägigen Reportage zum Thema „Mängelwesen 50+“ ab Seite 190 bringt unsere brillante Autorin Rosa Vogel die Problematik hervorragend auf den Punkt, wenn sie schreibt: 

Die Schauspielerin Brigitte Bardot meinte einmal: „Ich bin stolz auf meine Falten. Sie sind das Leben in meinem Gesicht.“ Besser man trägt sein Alter im Gesicht als im Geist, möchte man da nachlegen. Trotzdem ist die Optik das, was zählt, was diskutiert wird. Zerknitterte und schlaffe Haut steht für viele für eine schlichte Selbstvernachlässigung, nicht für eine „bewegte Lebensgeschichte“. (…) Und doch: Vorurteile wachsen mit dem Alter. Und werden von der Berichterstattung über sie auch noch befeuert.

Da gibt es „Frauen in einem gewissen Alter“, „alte Böcke“, „senile Greise“. Die Zielgruppenwerbung beschränkt sich auf Cremes zur Bekämpfung von Krampfadern und Pillen gegen Impotenz und Prostata-Beschwerden.

Keine Rede also von den „Best Agern“ und „grauen Panthern“.

Mich beschäftigt dieses Thema umso intensiver, je älter ich selber werde. Da ich mein Leben sehr outspoken gestalte und mit meiner – bisweilen offensiven, stets offenen und schonungslosen – Kritik und klar konturierten Meinung nicht hinter dem Berg halte, löst das viel Widerspruch aus. Ich „polarisiere“, so tönen die Feiglinge. Vorgebracht vor allem von jenen, die sich nicht trauen, dann Flagge zu zeigen, wenn’s ans Eingemachte geht.

Doch reden heißt bekanntlich nicht, Monologe zu führen. Den anderen niederzureden. Das Gegenüber zu diskreditieren, zu beschimpfen oder zu attackieren. Wenn wir etwas aus der jüngst in Frankreich stattgefundenen Wahlschlacht zwischen Emmanuel Macron und Marine Le Pen lernen können, dann dies: Wiewohl die beiden einander vor fünf Jahren schlammschlachtmäßig gegenseitig niedermachten, ging die jüngste TV-Diskussion einigermaßen „zivilisiert“ über die Bühne. Man griff einander zwar an, bewahrte jedoch Ruhe, ließ den anderen ausreden. Und Macron gab seiner Widersacherin streckenweise sogar recht. Um danach mit wohlgesetzten Worten ihre Argumente sorgfältig mit Fakten zu zerlegen.

„Wer schreit, hat unrecht“, meinte meine Großmutter, die alte Mucha. Wer unflätig schimpft und die unterste Schublade öffnet, beweist damit nur, dass es ihm an Argumenten mangelt. Die schärfsten Kritiker in meinem Leben verbindet, dass sie nie etwas Handfestes gegen mich in petto hatten. Gegenargumente, auf Fakten basierend? Nix da. In solchen Fällen bleibt denen nur mehr die Verbalkeule. 

Meiner Frau geht’s ähnlich mit den Hetzern: Die schreien erst „aufgespritzte Russentussi“, dann werden sie geklagt, zahlen und knicken ein. Pech für solche Verbalneurotiker: Ersteres befindet sich gerade auf dem Klagsweg und ist nachweislich falsch. Und das zweite trifft deshalb nicht zu, weil meine Frau längst österreichische Staatsbürgerin ist. Wer solches liest oder hört, dem ist schnell klar: Der Aggressor kennt die beschimpfte Person meist gar nicht persönlich. Er hat keinerlei sachliche Munition parat. Deshalb macht er seine Kritik an Äußerlichkeiten fest. Für die die attackierte Person in Wahrheit nicht das Geringste kann. 

Drei Typen von Attacken werden gegen mich eingesetzt. Zum ersten: „Der kleine Verleger“, „der kleinwüchsige Journalist“, „der ist einen Kopf kleiner als seine Frau…“ Den Vogel schoss Guido Maria Kretschmer ab, seines Zeichens Presenter der beliebten deutschen Sendung „Shopping Queen“ (Ekaterina hat die Promi-Competition seinerzeit gewonnen). Er verstieg sich sogar so weit, zu ätzen: „Der Mann ist so klein – dem passen nur Kindergrößen.“ Argumente in dieser Richtung haben freilich zwei entscheidende Haken. Zum einen: Was kann ich für meine Körpergröße? Und zum anderen bin ich (laut Passeintrag) 1,76 m groß. Und damit genau gleich groß wie Ekaterina. Nur trägt die High Heels. Weshalb sie größer wirkt. Und wer googelt, der kommt drauf, dass die Durchschnittsgröße der Österreicher genau einen Zentimeter über meiner Körpergröße liegt. Da von Kleinwüchsigkeit zu sprechen, ist einigermaßen kleinlich. 

Das zweite erbärmliche Argument, mit dem ich bisweilen angegriffen werde – stets von jenen, die nichts anderes im Köcher haben – ist, dass ich auf die Vornamen Wolfgang Christian höre. Nun, zum einen habe nicht ich meine Namen gewählt, sondern meine Eltern. Die nicht besonders viel darüber nachgedacht haben dürften, dass die Abkürzung von Wolfgang Christian W.C. ergibt. Und zum anderen ist mein Rufname seit frühester Kindheit Christian. Auch das habe ich mir nicht ausgesucht. Ich hoffe aber, es steht mir frei, mich heute Christian W. Mucha zu nennen. Ich hätte aber auch nichts gegen Wolfgang Christian einzuwenden. Und wüsste nicht, was daran verwerflich wäre. Winston Churchill hat’s nicht gestört. W.C. Fields detto. 

Derartige Attacken sind einfach nur niederträchtig. Sie werfen ein bezeichnendes Bild auf den Verfasser und entlarven dessen Charakter. Wenn es sich dabei etwa um den ehemaligen Kanzlersprecher und SPÖ-Geschäftsführer Josef Kalina handelt, der ja „W.C. Mucha“ nur deshalb anführt, weil er glaubt, mich damit verletzen zu können. Er legt sich damit freilich selbst ein Ei. Weil jeder die Absicht erkennt. Und der Typ sich sohin zu allererst selbst bloßstellt.

In jüngster Zeit freilich mehren sich die Attacken, die auf mein Alter abzielen. „Ein Greis“, „impotent“, „der kriegt sicher keinen mehr hoch“, „alter Sack“, „seniler Cretin“ sind da noch die harmlosesten Bezeichnungen, die mir jene – vor allem in den sozialen Medien – verabreichen, denen die Galle vor Wut über meine Sach-Argumente übergeht. 

So viele Strömungen haben ihren Zug um die Welt geschafft. Von #MeToo über #BlackLivesMatter bis zum Kampf gegen Bodyshaming. Die Lästerer und Schandmäuler kriegen ihre Shitstorms, wenn sie Chauvinistisches, Xenophobes, Geschlechterdiskriminierendes von sich geben. Wer Menschen wegen ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Nationalität attackiert, kann mit heftigem Gegenwind rechnen. 

Sollen jene, die beim Thema „Alter“ in die Vollen greifen, ungeschoren davonkommen? Es wird Zeit, dass wir – jene, die mit vollem Einsatz im Leben stehen, die wir uns engagieren, die zur besten (weil zahlungskräftigsten) Klientel gehören – uns zur Wehr setzen. Es sollte endlich eine weltweite Bewegung gegen Age Shaming geben, meint 

Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

P.S.: Wie übel das mit dem fortgeschrittenen Alter wird, kommt auch von Oscar Wilde. Er meinte: „Nichts geht über die Jugend. Die in den mittleren Jahren sind dem Leben verpfändet, die Alten sind in der Rumpelkammer des Lebens, aber die Jugend ist die Herrin des Lebens.“ Es wird Zeit, dass diese Einstellung auch im Zeitalter der stetig steigenden Lebenserwartung der Menschen und des Fortschritts der Medizin endlich als politisch unkorrekt erkannt und sanktioniert wird.

Der Obige

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