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Finanzielle Situation: Arbeit des Presserats in Gefahr

Geschäftsführer Warzilek warnt vor Mitarbeiterabbau und „Abstrichen auf allen Ebenen“. Presseclub-Concordia-Präsident Koller: „Presserat Zähne zu ziehen grundfalsche Entscheidung“.
Presserat

Geschäftsführer Alexander Warzilek mit Tessa Prager und Andrea Komar

Die Arbeit des Österreichischen Presserats ist in Gefahr. Das Selbstkontrollorgan sieht sich mit einer finanziellen Schieflage konfrontiert. Zwar soll dessen Förderung per Qualitätsjournalismusförderung von derzeit 150.000 Euro auf 187.500 Euro erhöht werden, doch wären 300.000 Euro nötig, um die kumulierte Inflation der vergangenen Jahre abzudecken und die Arbeit in gegenwärtiger Form fortzuführen, warnte Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek im APA-Gespräch.

Derzeit beschäftigt der Presserat inklusive Warzilek drei Mitarbeiter. Fällt die Erhöhung nicht kräftiger aus, muss einer davon abgebaut werden. „Wir müssten dann auf allen Ebenen Abstriche machen“, so der Geschäftsführer. Und das in einer Zeit, in der die Arbeitsbelastung ohnehin angesichts einer Vielzahl von zu behandelnden Fällen gestiegen sei. „Hauptziel des Gesetzgebers ist es mit der neuen Förderung, Qualitätsjournalismus zu fördern. Den Presserat kaputtzusparen, steht diesem Ziel diametral entgegen“, verwies er auf eine gewisse Paradoxie, betreibe man doch „sachliche Medienreflexion“, welche die Glaubwürdigkeit der Medien stärke. Neben der Aussprache von Rügen wegen medienethischer Verfehlungen ist der Presserat auch für die Kontrolle der Finanzjournalistinnen und -journalisten zuständig und hat sich als eine Art Anlauf- und Servicestelle etabliert. „Viele wollen von uns Auskunft oder Beratung, ob sie eine Beschwerde einreichen sollen“, erklärte der Geschäftsführer.

„In einer Zeit, in der die Verlotterung des politischen und öffentlichen Diskurses zu recht beklagt wird, ist dem Presserat die Zähne zu ziehen eine grundfalsche Entscheidung. Ich frage mich, ob es Unwissenheit oder Unwillen der Regierung ist“, sagte Andreas Koller, Sprecher des Senats 2 des Presserats und Präsident des Presseclub Concordia. Die Medienpolitik befinde sich „völlig auf dem falschen Dampfer“. Der Staat müsse die Rahmenbedingungen für eine funktionierende Selbstkontrolle der Medienbranche bereitstellen. „Ein Land, das 30 Millionen Euro für einen absurden Fonds für die angeblichen Opfer der Corona-Politik aufbringt, sollte es schaffen, mit einem Bruchteil dieses Geldes den Presserat ordentlich auszustatten“, spielte Koller auf die jüngste Ankündigung der niederösterreichischen Landesregierung an.

Die öffentliche Förderung macht in etwa drei Viertel der finanziellen Mittel des Presserats aus. Der Rest stammt von den Mitgliedsbeiträgen der Trägerorganisationen. Sich um eine alternative Finanzierung zu bemühen sei „heikel“, so Warzilek. Bei Geld vonseiten der Wirtschaft – etwa in Form von Spenden – bestehe die Gefahr von Einflussnahme. So treffe man schließlich auch Entscheidungen zur korrekten Trennung von Werbung und redaktionellen Inhalten. Beiträge von den beaufsichtigten Medien einzuheben, mache ebenfalls keinen schlanken Fuß, weil man so abhängig von jenen wäre, die man kontrolliert. Zudem leisten die Medienhäuser bereits ihren Beitrag, indem sie Journalistinnen und Journalisten für die Arbeit in den drei Senaten des Presserats zur Verfügung stellen. Diese arbeiten ehrenamtlich und bekommen für die Sitzungen und zur Vorbereitung darauf von ihren Arbeitgebern Arbeitszeit zur Verfügung gestellt. „Wir verlangen vom Staat, seinen Beitrag zu leisten“, stellte Koller klar. Dabei sei auch die Einführung einer Klausel, die eine automatische Inflationsanpassung wie in Deutschland vorsieht, wünschenswert, um nicht alle paar Jahre zum „Bittsteller der Politik“ zu werden.

Im Gesetzesentwurf zur Qualitätsjournalismusförderung schimmert laut Warzilek durch, dass der Presserat künftig auch für reine Onlinemedien zuständig sein soll. „Es wird also etwas eingefordert und gleichzeitig wird die Förderung nicht entsprechend erhöht“, stellte der Presserat-Geschäftsführer fest. Prinzipiell stehe man einer Ausweitung aber offen gegenüber. „Ich fände das sehr wichtig, weil klassische Medien nur noch einen Teil der medialen Wirklichkeit abbilden“, so Koller.

Da der Presserat in den meisten Fällen lediglich Rügen aussprechen kann, die von den betroffenen Medien nicht zwingend veröffentlicht werden müssen, wird er hin und wieder als „zahnloser Tiger“ bezeichnet. Warzilek will das so nicht stehen lassen: „Man sollte das Gewicht des Presserats nicht unterschätzen. Die Entscheidungen werden in der Branche stark wahrgenommen und die Resonanz in der Öffentlichkeit ist groß. Zur Berichterstattung über den Terroranschlag in der Wiener Innenstadt gab es 1.500 Beschwerden. Auch gibt es Bereiche in der Medienethik wie Suizidberichterstattung, die von der Rechtsordnung nicht erfasst sind und die nur wir behandeln. Wir stoßen damit einen öffentlichen Diskurs an.“ Teilnehmende Medien sollten aber jedenfalls über einen begangenen Ethikverstoß berichten müssen, wünschte sich der Geschäftsführer, merkte aber an: „Jetzt geht es zuerst aber ums Überleben.“

 

apa

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