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Zeitenwende

Mit dem Sturz der Regierung Kurz zerplatzen diverse Projekte und Gesetze wie Luftballons.
© Parlamentsdirektion / Johannes Zinner

Das Ganze kam extrem überraschend. Und brach schnell wie ein Buschfeuer über die Medien- und Werbebranche herein. Und während alle noch über Ibiza-Gate rätseln und sich fragen, was da gelaufen ist, wer es eingefädelt hat und wie eine simple, dilettantische Falle so viele Kettenreaktionen auslösen kann, der beginnt jetzt langsam darüber nachzudenken, was dies für Auswirkungen auf unsere Branche hat.
Die größte Freude herrscht derzeit beim ORF. Nicht nur bei den über 80 Prozent jener, die bei der Betriebsratswahl Rot oder Grün gewählt haben, sondern auch bei den Chef-Ideologen, den Top-Influencern und der sozialdemokratisch eingefärbten Führungsebene. Denn für den ORF scheint die Gefahr eines neuen Rundfunkgesetzes vorderhand gebannt. Und wenn man weiß, dass die FPÖ in der Regierung wegen des Falls der Gebühren, dem neuen Rundfunkgesetz, der Absetzung von Alexander Wrabetz, der „Neutralisierung“ von Armin Wolf diejenige Fraktion war, die extrem Gas gegeben hat und weiters weiß, dass die ÖVP die Bremser in dieser Causa waren, dann ahnt man, was da passieren wird: Alexander Wrabetz kann mit hoher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass er auch diese Amtsperiode zur Gänze aussitzen wird. Kein Rundfunkgesetz – wie angekündigt – heuer im Herbst, weil das geht sich sicher nicht aus. Und auch das nächste Jahr scheint unwahrscheinlich. Und weil zu diesem Zeitpunkt nicht besonders wahrscheinlich erscheint, dass die FPÖ nochmals in die Regierungsverantwortung gebeten wird, ist der größte Widersacher des ORF vorderhand kalt gestellt.

Dies bedeutet aber auch, dass die rote Fraktion im ORF jene, die ÖVP-mässig eingesetzt wurden, besonders die Channel Manager, ordentlich anrennen lassen wird. Und auch Kathrin Zechner wird ihre Freude haben, denn die Stuhlbeine ihres Sessels wackelten jüngst schon bedenklich. Jetzt haben sie an Stabilität dazugewonnen.

Im Stiftungsrat hat sich Norbert Steger aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen.

Insider wissen, dass es sich dabei um die Logorrhoe-Erkrankung seines Parteivorsitzenden handeln könnte. Und damit ist der größte Wolf außen vor, der ZIB 2 Anchorman kann sich ins Fäustchen lachen. Und sich über die lachende SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner lustig machen, und mit solchen Statements seine – ach so ausgeprägte – Unabhängigkeit dokumentieren.

Nicht zustande kommen wird allerdings auch ein Gesetz, dass lange ersehnt war, in einem hilflosen Kompromiss endete und im nächsten Jahr über die Bühne gehen sollte: Der Namensnennung bei Postings auf Webpages wird sich auch nicht mehr ausgehen. Und die Hassposter auf Standard & Co., wo sie ihr übles Werk verrichten, haben weiterhin die Freiheit, den Schutz derer zu genießen, die mit ihren camouflierten Bösartigkeiten ein fettes Geschäft machen.

In der Medienszene ist man schockiert. Alle aktuellen Aufträge der Ministerien, des Bundeskanzleramtes wurden stante pede storniert. Nur die kurzfristig laufenden Aktivitäten verifiziert. In den Ministerien räumten die verantwortlichen Minister, ihre Kabinettschefs und damit die Budgetverantwortlichen schneller als man schauen konnte ihre Schreibtische, wie ExtraDienst hinter vorgehaltener Hand mitgeteilt wurde. Damit haben diverse Mediengruppen bereits beauftragte Jobs in mehrfacher Millionenhöhe verloren. Ausgleichend könnte da wirken, dass im Sommer ein heißer Wahlkampf bevorsteht. Für den keine Parlamentspartei ernsthaft vorbereitet ist. Und auch die Geldsäcke der politischen Gruppierungen sind einigermaßen leer. Weshalb die derzeit qualifizierte Mehrheit aus SPÖ und FPÖ darauf drängen wird, die Wahl weiter in den Herbst zu verschieben. Insider sprechen davon, dass der früheste Termin jetzt irgendwo bei Mitte bis Ende Oktober landen dürfte. Eine Prolongation der Schlammschlacht, aber auch damit ein steigender Einsatz der Werbemittel im so wichtigen Herbst, was wiederum den Medien zugute kommen könnte, die sich auf diese Weise das nach der Wahl verlorene Geld zurück holen könnten. Auf die Bremse getreten ist zum Beispiel auch der Presse- und Informationsdienst der Stadt Wien, massiver Multiinserent in den heimischen Postillen und Gazetten. Dort hat man Budgets vorderhand auf Eis gelegt, um genügend Geld dafür zu haben, bei der Wahl fürs Mitmachen Stimmung zu erzeugen via Inserate.

Somit steht uns ein heißer Sommer, ein brutaler Herbst und eine deftige Auseinandersetzung ins Haus. Und danach stellt sich die Frage, mit wem Kurz, der – da sind sich alle einig – wohl wieder mit weitem Abstand Nummer eins werden wird, eine Koalition zusammen bringt. Und ob sich das ausgeht. Wenn dann gibt’s ja wieder eine volle Amtsperiode und vielleicht die Möglichkeit, dass den Hasspostern endlich ein Maulkorb umgehängt wird.

Medikratius

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