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Reingelegt

Peinlich, wenn Österreichs Medien einer Witz-Plattform auf den Leim gehen

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©ORF

Hoaxe können echt Spaß machen. Erfundene Meldungen, die man mit dem Mäntelchen der Wahrhaftigkeit bekleidet die völlig aus der Luft gegriffen sind und mit denen man seriöse Medien reinlegt.

Ich persönlich bin Spezialist dafür. Praktiziere das immer wieder seit Jahrzenten. Als Mahnmal, dass man gar nicht gut genug aufpassen kann, wenn’s um das Weiterverbreiten von Informationen geht.

Vielleicht erinnern Sie sich ja daran, werte Leser: Seinerzeit habe ich den Standard reingelegt mit einer Meldung in der übles über unseren Verlag enthalten war. Die lachsfarbene Partie ist mir prompt auf den Leim gegangen. Die Meldung kam. Dutzende Poster haben das zum Anlass genommen, mich – wie dort reflexartig üblich – übel zu beschimpfen. Der daraus folgende Präzedenzfall einer Klage von Standard-Postern hat vieles für die User verändert. Und für die Betroffenen, die anonym niedergemacht werden. Denn wenn heute strafrechtlich relevantes gepostet wird, dann muss der Medieninhaber die Daten dessen, der der Wahl Injurien von sich gibt, herausrücken. Und dann kann man den klagen. Und das kostet. Hat mir übrigens in den letzten zwei Jahren einen Mini-Cooper beschert, der zur Gänze von den Standard-Postern finanziert wurde. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die Fake-Meldung der Tagespress, wonach Frank Stronach bei der nächsten Bundespräsidentenwahl antreten wird hat viel bewegt. Insbesondere in der Chefetage der APA, die auch auf die Tagespresse reingefallen sind.

“Ein Debakel”, sagt APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger, und zugleich “ein Weckruf”: Medien müssten angesichts grassierender Desinformation ihre Standards hinterfragen und nachschärfen.

Doch: Ohne zu Hinterfragen wird solch eine Information nicht verbreitet. So war die Adresse in der Mail-Signatur der Einladung zur Stronach-Pressekonferenz gleichlautend mit dem früheren Sitz der einstigen Stronach-Parteiakademie. Der APA-Redakteur nahm zudem Kontakt zum in der Aussendung genannten Rückfragehinweis auf. “Dort haben wir aber nur die – falschen – Infos bestätigt erhalten“, erzählt APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger. Oder, wie es die “Tagespresse” schilderte: “Unser Telefon läutet im Sekundentakt, auf Nachfragen, ob der Antritt wirklich ernst gemeint sei, tun wir das, was jeder echte Politiker machen würde – Lügen.”

Check, re-check, double-check

Check, Gegencheck, Überpfrüfung der Quelle – da wird viel zu schleißig gearbeitet. Und wer weiß, dass APA Meldungen üblicherweise gar nicht mehr auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden, sondern in „Copy&Paste-Manier“ eins zu eins nachgedruckt werden, der beginnt zu verstehen, welche Kollateralschäden entstehen, wenn die APA wo reinfällt.

Man hat dort vorbildlich darauf reagiert. Will die Dinge in Ordnung bringen. Künftig sorgfältiger arbeiten. Das finde ich gut. Als konkreter Schritt sollen die Spezialisten des APA-Faktencheck-Teams, die regelmäßige, komplexe Schwerpunktthemen recherchieren, verstärkt in die tagesaktuelle Produktion des Basisdiensts eingebunden werden. “Mit ihrem Know-how und ihren Tools können wir vor allem im Bereich Check von elektronischen Quellen, Überprüfung von Internet-Domains etc. nachschärfen.”

Den Kollegen von der Tagespresse: Gratulation! Ihr habt wieder einmal alle zum Lachen gebracht. Und sorgt mit eurem Beitrag hoffentlich dafür, dass vielleicht künftig ein wenig sorgfältiger gearbeitet wird…

Christian W. Mucha

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