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Kein schwarz-weißes Leben: Exklusiv-Interview mit Richard Grasl

Richard Grasl_Kurier_Franz Gruber
© Franz Gruber

Folgendes Exklusiv-Interview finden Sie in der kommenden Ausgabe ExtraDienst!


Wenn einer, den der Blitzschlag des Schicksals getroffen hat, das eigene Verschulden ehrlich bereut und sich dann wieder in Topmanagement-Positionen zurückkämpft, dann heißt das schon etwas. Richard Grasl – offen wie nie – über Ups, Downs und das, was es jetzt braucht, um durchzustarten.

ExtraDienst: Beim Studium der diesjährigen Rankinglist Kommunikator wird sich so mancher wundern (Insider vielleicht weniger): Richard Grasl – Gratulation dazu – ist im heurigen Jahr der Aufsteiger. Und das hängt wohl schon damit zusammen, dass nach diversen Stationen in seinem Lebensweg noch vor einigen Jahren keiner auch nur einen luckerten Heller auf ihn gewettet hätte. Doch Sie haben sich zurückgearbeitet. Überrascht Sie das Ergebnis unseres Rankings, Herr Grasl? Oder würden Sie sagen, dass Sie es sich verdient haben?

Grasl: Zunächst freue ich mich natürlich über jeden Zuspruch. Das Ergebnis ist aber sicherlich der Bedeutung des profil geschuldet, das ja eine der wichtigsten Medienmarken ist. Wenn man hier eine Aufgabe übernimmt, dann erregt das natürlich Aufmerksamkeit, das ist klar. Ich habe mir aber natürlich auch in den letzten Jahren – ich bin ja seit vier Jahren in der Kurier-Chefredaktion – Mühe gegeben, nach schwierigen Situationen in meinem Leben wieder eine gute Arbeit zu machen. Und wenn all das dann insgesamt dazu beiträgt, dann freut mich das.

ED: Richard Grasl ist ja eine Person, bei der man nie ganz genau weiß, ob die Zahl seiner Feinde nicht vielleicht doch größer ist als die seiner Verbündeten. Manche sagen ja, Sie seien deshalb zum Geschäftsführer des profil ernannt worden, weil Sie eine Wahl zum Chefredakteur bei der als sehr kritisch und unparteiisch bekannten profil-Redaktion nicht überstanden hätten, während Sie sich als Geschäftsführer dieser Wahl nicht stellen müssen. Ist Ihre Bestellung also eine Mogelpackung?

Grasl: Es war nie in Frage gekommen, dass ich die Chefredaktion des profil übernehme. Es gibt beim profil eine wirklich schwierige wirtschaftliche Herausforderung, und der Eigentümer hat mich gefragt, ob ich mir zutraue, das Magazin nochmals auf einen wirtschaftlich erfolgreichen Weg zu bringen. Darauf konzentriere ich mich. Alles andere war nie Thema und ist daher aus meiner Sicht auch nicht zu diskutieren. Ich habe auch keine Zeit, mich mit irgendwelchen Machtspielchen zu beschäftigen. Die Herausforderungen in der Medienbranche – nicht nur beim profil, sondern insgesamt – sind derzeit so groß geworden, dass man aufhören sollte, über irgendwelche theoretische Luftschlösser zu debattieren. Stattdessen sollte man jede Minute seiner freien Zeit dazu verwenden, das eigene Medium wirtschaftlich nach vorne zu bringen.

ED: Nun wird ja auch der größte Kritiker von Richard Grasl Ihnen die Expertise nicht absprechen können, das profil kaufmännisch wieder auf Vordermann zu bringen (wenn es die Zeit nur zulässt), weil Sie ja den ORF als langjähriger kaufmännischer Direktor durch die wirtschaftlich besten Zeiten geführt haben. Noch einmal eine kurze Reminiszenz an die ORF-Zeit: Wie sehen Sie das im Rückblick?

Grasl: Ich war beim ORF sieben Jahre kaufmännischer Direktor und vorher fünfzehn Jahre in einer Redaktion, im Landesstudio und bei der „Zeit im Bild“. In meiner Zeit als Finanzdirektor war es sehr hilfreich, zu wissen, wie das Programmmachen in den Redaktionen funktioniert. Ähnlich ist das jetzt beim profil: Auch wenn Geschäftsführung und Redaktion natürlich klar voneinander getrennt sind, verstehe ich es, wenn Anna Thalhammer kommt und sagt: Ich brauche eine Kapazität hier, einen Redakteur da und dort einen Layouter. Es ist immer gut, wenn man das Produkt versteht, es liebt und auch selbst gemacht hat; ich habe zwar das profil nie selbst gemacht, aber den Kurier seit vielen Jahren. Ich glaube, dass das ganz wichtig ist: Man braucht auch im Management Menschen, die den Journalismus lieben.

ED: Können Sie, ohne die Details zu verraten und ohne die Kurier-Tochter schlecht zu machen, die Befindlichkeit des profil und die kaufmännische Problematik kurz umreißen?

Grasl: Das profil hat durch die vielen Wechsel in der Eigentümerschaft natürlich ein wenig gelitten, und zwar aus meiner Sicht auch in der Positionierung. Das profil muss wieder relevanter werden, muss unter den Wochenmagazinen in Österreich wieder  der Player werden, den man gelesen haben muss. Und das sowohl im politischen wie auch im wirtschaftlichen Bereich. Das ist der Auftrag an Anna Thalhammer: Das profil wieder relevant zu machen beim Verkauf am Kiosk, am Abomarkt, aber auch bei den Anzeigen. Das ist das große Ziel, das wir haben, und ich glaube auch daran, dass wir das schaffen können.

ED: Sie waren beim ORF journalistisch tätig beim Landesstudio Niederösterreich. Das ergibt ja auch eine gute Vernetzung mit der niederösterreichischen Landeshauptfrau, die noch immer als mächtigste Funktionärin der ÖVP gilt. Beim Kurier wird niemand sagen, dass Sie links seien. Beim profil dürfte es aber, ähnlich wie beim ORF, wohl so sein, dass die Mehrzahl der Redakteure eher links oder grün ist. Wie geht das zusammen: Ein konservativer Geschäftsführer, der einer linken Redaktion vorsteht, mit einer Chefredakteurin, die seine politischen Ansichten teilt?

Grasl: Ich wehre mich dagegen, Menschen und Journalisten in links und rechts einzuteilen. Nach der Übernahme des profil haben wir uns von zwei, drei Mitarbeitern getrennt. Ich habe danach ein Gespräch mit einem ORF-Redakteur geführt, der mich ernsthaft darauf angeredet hat, dass das „lauter Linke“ seien, von denen wir uns getrennt haben. Ich dachte, ich traue meinen Ohren nicht. Ich wehre mich aber dagegen – und die betreffenden Kollegen würden sich auch dagegen wehren –, unsere Redakteure nach links und rechts einzuordnen. Meine Aufgabe beim profil ist, dass die Zeitschrift wirtschaftlich wieder gut dasteht, und die Aufgabe der Chefredakteurin ist, dass profil wieder relevanter wird. Dafür müssen wir aufhören, unsere Mitarbeiter nach links und rechts einzuteilen. Weil ich glaube, dass auch die Welt sich mittlerweile nicht mehr nach links und rechts einteilen lässt. Das ist eine Denkweise der Achtziger- und Neunzigerjahre. Heute hat jeder auf seinem Handy, auf seinem Tablet die Möglichkeit, verschiedenste Zeitungen und Online-Plattformen zu lesen. Den Leuten ist völlig wurscht, ob der Grasl oder die Frau Thalhammer links oder rechts ist, die wollen interessante, spannende, relevante Geschichten lesen. Alles andere ist unwichtig.

ED: Michael Nikbakhsh war es aber nicht wurscht. Der bezeichnet Ihr Interview auf oe24 in seinem Podcast als „Blutgrätsche“ und sagt, er sei deshalb abgesprungen, weil es die Äußerung gab, dass bei der Akademie „nur Linke“ dabei seien. Er bezieht sich darauf, dass Falter-Chefredakteur Florian Klenk von Frau Salomon zurückgereiht worden sei in der Gruppe der Vortragenden. Da kommt schon aus Ihrer eigenen Riege, sprich von Salomon, die links-rechte Argumentation, die somit wohl nicht ganz so von der Hand zu weisen ist. Hier treffen doch die beiden Lager aufeinander. Nikbakhsh selber fällt ja auch in dieses Loch, wenn er in seinem Podcast wortwörtlich sagt: „Naja, links von der Frau Salomon ist noch sehr viel Platz.“ Wie stellt sich denn die Nikbakhsh-Diskussion für Sie dar? Und – ist die Akademie begraben? Werden die Leute, die auf seiner Liste gestanden sind, nicht mehr mitmachen (wollen), weil er nicht mehr an Bord ist?

Grasl: Dazu ist eh schon fast alles gesagt. Ich finde es nur sehr schade, weil das Konzept, das Nikbakhsh vorgelegt hat, wirklich gut ist, das habe ich ihm auch in einem Mail geschrieben. Bei einer investigativen Akademie über links und rechts zu diskutieren, ist absurd, denn investigativ ist man abseits von links und rechts.

ED: Aber dann korrigieren Sie damit auch Frau Salomon, oder?

Grasl: Nein, wir haben nur über die Reihenfolge von Referenten diskutiert. Wir haben aber keinen einzigen Referenten aus der Liste heraus oder hinein reklamiert. Wenn so eine Akademie über zwei Medien läuft wie profil und Kurier und den Herrn Nikbakhsh, dann ist Teamwork nötig. Dann muss man miteinander diskutieren, wie man das am besten macht, und dieses Teamwork hat mit Nikbakhsh wohl nicht funktioniert. Dazu war er offensichtlich nicht in der Lage, und daher ist es auch vielleicht ganz gut, dass man es jetzt in einer anderen Form weiterführt, ohne Nikbakhsh.

ED: Sie haben gesagt,dass es bei jedem Projekt natürlich Diskussionen gibt. Dann ist es vielleicht gut, dass Nikbakhsh das Handtuch geworfen hat, bevor das gestartet ist. Denn wer weiß, wie das weitergegangen wäre.

Grasl: Wenn man es bei einer Liste von vielleicht 25 Referenten nicht verträgt, über den einen oder anderen zu diskutieren, dann ist eine Zusammenarbeit sehr schwer. Dann ist es besser, er macht’s alleine und wir auch.

ED: Reden wir noch einmal über das Thema Ihrer politischen Heimat. Wie definieren Sie Ihr politisches Credo? Denn natürlich ist Journalismus auch Politik-affin, auch von Politik getragen. Politik ist das ganz wichtige tragende Thema, besonders in Zeiten wie diesen, und ganz besonders die Innenpolitik. Wie definiert sich Richard Grasl? Wem ist er verpflichtet?

Grasl: Ich fühle mich niemandem verpflichtet. Außer der Wahrheit und der Sachlichkeit. In den letzten vier Jahren habe ich in meinen Leitartikeln im Kurier immer versucht, das sachlich anzulegen. Wenn von der einen Seite etwas kommt, was ich als sachlich richtig empfinde, dann wird das aus meiner Sicht eine positive Kritik bekommen, und wenn etwas kommt, was ich für Blödsinn halte, dann wird das von mir auch kritisiert werden. Dann ist wurscht, von welcher Seite das kommt. Es gibt genügend kritische Leitartikel von mir gegen die ÖVP oder Sebastian Kurz, und es gibt auch genügend, in denen ich die SPÖ gelobt habe. Es gibt von mir aber auch kritische Äußerungen gegen die Sozialdemokratie, wenn ich der Meinung bin, da läuft etwas schief. Man ist da niemandem verpflichtet, außer den Lesern. Jeder hat natürlich sein eigenes Weltbild, das ist klar und das sollte auch so sein. Aber wenn man im Mediengeschäft den Leserinnen und Lesern gegenübertritt und denen ein Angebot macht, dass sie sich entscheiden sollen, dafür Geld auszugeben, dann müssen wir aus meiner Sicht diese politischen Spielchen einstellen. Das ist ganz, ganz schlecht für den Journalismus und für die Medien insgesamt.

ED: Nochmals bitte: Wie definiert sich Richard Grasl politisch?

Grasl: Ich habe verschiedene politische Ansichten, die nie immer entlang einer einzelnen Parteilinie sind. Er hat in gesellschaftspolitischen Dingen andere Ansichten wie in der Bildungspolitik, in der Sicherheitspolitik oder in der Migrationspolitik – ich glaube, wir müssen jetzt nicht jedes einzelne Feld durchgehen.  Klimapolitik ist mir als Vater von zwei Kindern besonders wichtig, da geht auch viel zu wenig weiter. Ich bin sehr leistungsorientiert. Ich habe mein Leben immer damit zugebracht, Leistung zu erbringen. Das ist vielleicht das, was mich am ehesten kennzeichnet. Und sonst gibt es bei mir viele verschiedene politische Wahrnehmungen, die aber nie am extrem linken oder am extrem rechten Rand sind.

ED: Sie haben gesagt, Sie haben pro SPÖ geschrieben, Sie haben kontra Kurz oder kontra ÖVP geschrieben. Können Sie zwei, drei Beispiele nennen?

Grasl: Ich bin zum Beispiel sehr massiv dagegen aufgetreten, wie sich Sebastian Kurz nach dem Terroranschlag in Wien für eine Generalpräventivhaft mit religiösem Hintergrund ausgesprochen hat. Ich finde es nicht richtig, Menschen nur auf Verdacht wegzusperren, ohne dass sie ein Verbrechen begangen haben. Dagegen bin ich ganz massiv aufgetreten, weil ich fand, dass Kurz den Terroranschlag genutzt hat, um damit am rechten Rand nochmal zu punkten. Andererseits hat die Stadt Wien in der Coronakrise vor allem beim Zuverfügungstellen von Testkapazitäten ein perfektes Testmanagement aufgebaut und damit meiner Meinung nach sehr professionell gehandelt. Da war ich auf der anderen Seite zu finden. Ich würde es aber genauso kritisieren, wenn der Bürgermeister von Wien ein paar Milliarden Euro an Sicherheiten für die Wien Energie hergibt, ohne den Gemeinderat einzubinden. Genauso wie ich es richtig finde, wenn man das Thema Teilzeit/Vollzeit aus Sicht der ÖVP aufgreift und diskutiert. Ich finde, das Leben ist so vieldimensional und nicht immer nur schwarzweiß, dass man gerade als Journalist damit aufhören sollte, in diesen Kategorien zu denken.

ED: Das Leben kann auch sehr brutal sein. Sie hatten vor sechs Jahren diesen fatalen Unfall in Kärnten, der durch die ganze Branche gegangen ist. Sie hatten sich aber niemals dazu geäußert und auch untersagt, öffentlich darüber zu berichten, weil das im höchstpersönlichen Lebensbereich angesiedelt war. Ist das für Sie abgehandelt? Oder bewegt Sie das noch immer?

Grasl: Ich werde zu dieser Causa auch weiterhin nichts sagen. Alle Medien – ich habe ja niemandem etwas untersagt – haben erkannt, dass hier die Privatsphäre zu schützen ist. Da bin ich den österreichischen Medien sehr dankbar dafür, dass hier das Medienrecht gewahrt wurde. Ganz grundsätzlich wird eine solche Situation, wie ich sie erlebt und verursacht habe, immer ein Teil von dir sein. Dich verändern. Sie ist jeden Tag präsent. Und lehrt dich auch, gewisse Dinge im Leben anders einzuschätzen und wahrzunehmen, als es vielleicht früher der Fall war.

ED: Bereuen Sie das?

Grasl: Selbstverständlich. Sehr.

ED: Haben Sie Ihrer Meinung nach alles getan, was notwendig ist, um das wieder gutzumachen?

Grasl: Nein, weil man es nie ganz gutmachen kann. Aber ich habe alles getan, was meine Möglichkeiten zulassen.

ED: Kommen wir zu etwas Erfreulicherem. Sie haben ja zwei Kinder, die 8 und 12 Jahre alt sind. Die sind talentierte Tennisspieler, und Sie als vielbeschäftigter Manager düsen mit denen durch die Gegend und führen sie zum Training. Wie wichtig sind Ihnen Ihre Kinder?

Grasl: Ich war selber Tennisspieler in meiner Jugendzeit und nehme immer noch an Meisterschaften teil, mittlerweile bei den Senioren. Ich sehe meinen Sohn und meine Tochter so, wie es damals bei mir war, und versuche, ihm die bestmöglichen Rahmenbedingungen zur Verfügung zu stellen. Ich versuche generell, ihnen den Spaß, den sie dabei haben, zu ermöglichen und sie dabei weitgehend zu unterstützen. Das schweißt einen auch sehr stark zusammen.

ED: Aber man sagt ja, dass Tenniseltern schlimm seien, denn Tennisspieler werden ja nur wirklich gut, wenn sie getrieben werden, und zwar heutzutage schon ab dem frühesten Kindesalter. Wie halten Sie das?

Grasl: Ich sage, sie sollen vor allem Spaß dabei haben, dann kommt alles andere von selbst. Mein Sohn arbeitet sehr hart daran und trainiert mehrmals pro Woche, aber am wichtigsten ist: Wenn er dabei seinen Spaß hat, dann ist er auch erfolgreich.  Das muss man immer berücksichtigen, denn sonst haut er irgendwann den Hut drauf. Das habe ich auch im Berufsleben gelernt: Wenn man jemanden immer nur dazu zwingt, etwas zu tun, dann wird das nicht funktionieren. Man muss motivieren und sparsam mit Druck sein.

ED: Ich will noch einmal zurückkommen auf die politischen Eltern. Da gibt es zwei Dinge. Erstens: eine brillante Vernetzung von Richard Grasl als gebürtiger Kremser mit der Landeshauptfrau und den anderen Mächtigen in Niederösterreich. Und zweitens gibt es auch eine sehr gute Vernetzung mit Raiffeisen, was natürlich auch mit der Eigentümerschaft des Kurier zusammenhängt. Nun haben sich viele Leute darüber gewundert, dass Sie es seinerzeit gegen Alexander Wrabetz nicht geschafft haben. Meine erste Frage zu diesem Themenkreis: Warum hat es damals mit dem Posten als Generaldirektor nicht geklappt?

Grasl: Ich hatte sechseinhalb Jahre lang unter Alexander Wrabetz als kaufmännischer Direktor gedient, und wir haben in dieser Zeit im ORF viel zusammengebracht. Wir hatten dann aber zunehmend unterschiedliche Meinungen, was für das Unternehmen gut und wichtig ist, aber kein Grund, in den Krieg zu ziehen.

ED: Was war damals der entscheidende argumentative Unterschied Ihrer beiden Programme?

Grasl: Ich war der Meinung, dass wir schnellere Schritte zur Neustrukturierung des Unternehmens machen müssen. Ich habe damals schon gesehen, dass die Kostenlast, die der ORF hat, uns irgendwann erdrücken wird. Ich wollte nicht, dass ich jetzt, viele Jahre später, Recht bekomme, wenn Roland Weißmann die Finanzierungsprobleme eingestehen muss. Ich hätte diese fünf Jahre genutzt, um das Unternehmen schon früher zu sanieren, denn je später man damit anfängt, umso schwieriger wird es. Das war der Unterschied zwischen mir und Wrabetz. Wir unterscheiden uns aber auch im Führungsstil. Ich hatte damals viele interessante Gespräche und viele Zusagen von Stiftungsräten, die gesagt haben, sie wollen mir ihre Stimme geben, sich dann aber anders entschieden haben. Ich bereue meine Kandidatur trotzdem nicht und würde es wieder machen, weil ich glaube, dass man sich mit den richtigen Ideen auch für etwas bewerben kann. Ich habe dann aber meine beruflichen Konsequenzen gezogen. Kein Blick zurück im Zorn oder in Trauer, sondern es war eine sachliche Auseinandersetzung um die Zukunft des Unternehmens.

ED: Träumt Richard Grasl gelegentlich davon, dass der Kurier für ihn ein wenig zu klein ist und dass es mit dem ORF doch noch einmal klappen könnte?

Grasl (lacht): Nein, derzeit träume ich vom profil und vom Kurier, weil wir dort genügend Herausforderungen haben. Ich träume nicht vom ORF, weil ich glaube, dass die Herausforderungen, vor denen Roland Weißmann jetzt steht, sehr, sehr groß sind, und da möchte ich nicht mit ihm tauschen müssen.

ED: Ist das Thema ORF für Sie ein für allemal abgehakt? Oder soll man nie nie sagen?

Grasl: Nein, das Thema ist abgehakt, weil ich – und das habe ich auch sehr klar gesagt – in einer schwierigen Situation meines Lebens das Vertrauen bekommen habe, hier beim Kurier einen Neuanfang zu machen. Ich glaube, ich habe diese Chance nicht nur ergriffen, sondern auch genützt, und wenn man Vertrauen von jemandem bekommen hat, dann gibt man dieses Vertrauen auch zurück und schielt nicht ständig mit einem Auge nach einem anderen Job. Ich stehe diesem Konzern mit seinem spannenden Medienportfolio einfach voll und ganz zur Verfügung.

ED: Nun ist die Mediaprint und auch der Kurier in einer sehr schwierigen Situation. Die Kronen Zeitung hat im letzten Jahr Verluste gebaut; diese seien so, sagen Insider, dass der Forecast, der für die Krone im letzten Jahr gemacht wurde, und das vorläufige Bilanzergebnis, wenn man sie vergleicht, zwei verschiedene Unternehmen darstellen würden. Wie wollen Sie denn diese Herausforderungen eines rezessiven Marktes, bei dem immer mehr Werbetreibende den Print komplett streichen, meistern? Denn das wird doch für den Kurier nur zu meistern sein, wenn er sich aus der Zange befreit, dass er Leistungen innerhalb der Mediaprint zugunsten der Kronen Zeitung erbringen muss, die das Ergebnis des Kurier deutlich schmälern. Kämpfen Sie dafür, dass diese Verpflichtungen aufgelöst werden?

Grasl: Das ist überhaupt nichts, was mit dem jetzigen Wechsel in der Chefredaktion beim Kurier und der Geschäftsführung beim profil zu tun hat. Ja, wir sind in der Medienbranche allgemein, und im Besonderen die Printmedien, alle in einer schwierigen Situation. Wir müssen den digitalen Sprung noch schneller, noch konsequenter, noch rücksichtsloser vollführen. Was wir jetzt machen, ist schon ein richtiger Schritt, aber wir müssen in dieser Richtung noch mehr Gas geben. Wenn man heute am Digitalmarkt in Österreich Geld verdienen möchte – mit Abonnements vor allem, denn wir wissen, dass die Onlinewerbung größeren Schwankungen unterliegt als Abonnements mit Qualitätscontent –, dann ist natürlich ein Marktteilnehmer wie der ORF eine riesige Belastung für uns. Wir müssen den Kunden erklären, warum sie für den Kurier oder irgendein anderes Medium zahlen sollen, wenn es eine frei zugängliche Seite gibt, die mit rund 700 Millionen Euro an Gebührengeldern gestützt wird. Es ist mein dringender Appell an den Gesetzgeber, an einer Lösung zu arbeiten, weil das die Zukunft von privaten Medien, von privaten Verlagen in Österreich wirklich ganz, ganz massiv in Gefahr bringt und ihnen vielleicht sogar die Luft zum Atmen abschnürt.

ED: Nun wollen wir dabei aber nicht vergessen, dass die wahren und extremsten Feinde, die das meiste Werbegeld absaugen, ja nicht der ORF ist oder irgendwelche Fernsehsender oder die Kronen Zeitung. Sondern die größten Gegner, die das meiste Geld aus dem Markt absaugen – und das noch dazu steuerfrei – sind die internationalen Digitalmedien. Wie lässt sich das Ihrer Meinung nach lösen, um den österreichischen Markt und seine Teilnehmer zu schützen?

Grasl: Ich frage mich immer, wie es möglich ist, dass es hier marktbeherrschende Positionen gibt mit Suchmaschinen und Internetplattformen, die weit über das hinausgehen, was österreichische und europäische Kartellrechte zulassen. Dass hier nicht stärker politisch vorgegangen wird, wundert mich sehr. Wenn man in Österreich zwei mittelgroße Medienunternehmen zusammenführen will, dann braucht man Jahre, gute Rechtsanwälte und muss jede Menge Kartellauflagen erfüllen. Aber im Zukunftsmarkt, im wirklich wichtigen Zukunftsmarkt des Digitalbereichs, akzeptieren wir amerikanische Monopole und Oligopole, die wirklich bedenklich sind. Hier muss meiner Meinung nach europäisches Kartellrecht greifen und die Algorithmen und die Marktmacht dieser Riesen hinterfragen. Sonst bedienen wir in Österreich einen kleinen Markt, aber das große Geld wird woanders verdient.

ED: Nun stellt aber doch die politische Partei, der Sie zugeschrieben werden, den Bundeskanzler und die Medienministerin. Diese hat gerade mit dem Medientransparenzgesetz ein unvorstellbares Konstrukt geschaffen, das praktisch alle Medien in Österreich ein Vermögen kostet an Aufträgen von der öffentlichen Hand. Ein Konstrukt, das unadministrierbar ist, weil jetzt tagesaktuell gemeldet werden muss, was für Tageszeitungen gar nicht möglich ist, weil die nur alle paar Tage fakturieren. Ministerin Susanne Raab wird ja mittlerweile von den meisten Medien als die Totengräberin der Branche angesehen, und der Bundeskanzler könnte doch etwas tun, um die österreichischen Medien zu schützen. Warum passiert das Gegenteil?

Grasl: Ich glaube, das hat verschiedene Gründe. Sie hatten vorhin gefragt, ob ich mit der Politik der ÖVP immer einer Meinung bin, und bei der Medienpolitik ist das überhaupt nicht der Fall. Es geht dabei vor allem darum, dass private Anbieter aus den Zeitungsverlagen die Möglichkeit bekommen, digital zu arbeiten. Es geht darum, dass wir bei der Inseratenfrage das Kind nicht mit dem Bad ausschütten. Natürlich war die Inseratentätigkeit der Republik in den letzten Jahren und Jahrzehnten oft fragwürdig und hinterfragenswert. Aber deswegen darf ich nicht einen riesigen Verwaltungsaufwand und damit de facto einen Inseratenstopp in den Medien verordnen. Denn natürlich hat die öffentliche Hand ein Interesse daran, Inserate zu schalten, das ist normal und auch gut. Es darf natürlich nicht missbraucht werden, um sich genehme Berichterstattung zu kaufen. Aber das, was hier jetzt als Lösung vorgeschlagen wird, ist für die Medien wirklich schwierig und nimmt ihnen die Luft zum Atmen.

ED: Warum schanzt die Ministerin Raab mit ihrem Vorstoß zur Haushaltsabgabe dem ORF mehr Geld zu, als er durch die GIS lukrieren kann?

Grasl: Wenn bei der Haushaltsabgabe noch mehr Geld für den ORF herauskommt, dann müssen sich schon alle die Frage stellen, warum hier ein Unternehmen, das schon so viel Geld aus der Gebühr bekommt, noch weiter gestärkt werden soll. Wir in den privaten Medien fangen alle jedes Jahr mit null Euro Umsatz an. Wir müssen unsere Sparprogramme erfüllen und restrukturieren, die Prozesse straffer gestalten. Und es wäre gut, wenn das auch in einem öffentlich finanzierten Unternehmen der Fall wäre.

ED: Wenn man Leute über Sie befragt, dann gibt es zwei Gruppen. Die eine sagt: Der Grasl wird gestützt von der niederösterreichischen ÖVP, und die hat so einen intensiven Einfluss auf Raiffeisen, dass Raiffeisen das machen muss. Die anderen sagen, der Grasl wird von Hameseder und der Raiffeisen so gestützt, sodass die ÖVP da zwangsläufig mitziehen muss. Was davon stimmt jetzt?

Grasl: Weder noch, diese Zeiten sind vorbei. Ich glaube, ich habe das Vertrauen unseres Eigentümers, weil ich immer eine gute Arbeit geleistet habe. Wenn die Leistung nicht stimmt, helfen keine guten Kontakte zu irgendwem. Oder glauben Sie, dass ein schlechtes Ergebnis beim profil einfach abgenickt würde? Hier zählen die Zahlen, und da versuche ich eben, das Beste zu liefern. Das hat mir in meinem Leben immer Vertrauen eingebracht. Auch von anderen, die gesehen haben, hier wird gute Arbeit geleistet, hier gibt es gute Einschaltquoten, gute Reportagen, hier gibt es einen sanierten ORF, den Wrabetz und ich zustande gebracht haben, und jetzt gibt es hoffentlich noch positive Ergebnisse beim profil und beim Kurier. Dafür stehe ich und für nichts anderes, und dafür werde ich von unseren Eigentümern beschäftigt und bezahlt.

ED: Danke für das Gespräch.

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