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Die Langlauf-Champions

60-Sekunden-Spots unterbrechen die Werbeblocks und verschlingen das Mediabudget. Bewegtbild-Kampagnen gehen ohnedies viele andere Wege. Dennoch wird der 60-Sekünder stark unterschätzt.
© Spar/ Wirz

Der erste Werbespot, der am 3. November 1956 im deutschen Fernsehen ausgestrahlt wurde, zeigte ein Ehepaar beim Essen in einem Restaurant. Dargestellt von den beiden damals auch in Österreich äußerst beliebten Schauspielern Beppo Brem und Liesl Karlstadt, erzählte er folgende Story: Der Mann patzt beim Essen, der Frau ist der Vorfall sichtlich peinlich. Der Wirt liefert die Lösung: Persil. Die Dauer des Spots: 55 Sekunden.

Mittlerweile ist der Wandel von Bewegtbild-Kampagnen rasend schnell und für die Werber und Medien höchst komplex geworden. Diese fortlaufende Fragmentierung in verschiedenste Formate und unterschiedlichste Screens macht sowohl die Konzipierung als auch die Umsetzung zu einer Gratwanderung. Aber mit der steigenden Mediennutzung auf mehreren Screens und Umfeldern steigt auch die Anzahl der Werbekontakte. Und hier können Entscheidungen über Spot-Längen und Frequenzen von Bedeutung sein – wenn richtig eingesetzt.

„Bei PKP BBDO denken wir heute nicht mehr in TV-Filmen. Wir denken Filme als medienunabhängiges Bewegtbild“, sagt Geschäftsführerin Jana David-Wiedemann. „Denn die neuen Medien, von YouTube über Instagram bis hin zu digitalisiertem Citylight, stellen uns zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, Filmideen entsprechend dem Medium und zielgruppenrelevant zu spielen.“   

Längen

„Mein Leben macht auch ohne 60-Sekunden-TV-Spots Spaß – der längste hat bisher 45 Sekunden gedauert“, sagt Peter Czerny von der Agentur CzernyPlakolm. „Nur eine wirklich, wirklich gute Story rechtfertigt eine solche Länge, weil sonst die Zuseher das Ende dringend herbeisehnen.“ Und er setzt fort: „Der von mir sehr geschätzte Gert Winkler hatte dazu seine eigene Theorie: ‚Getretener Quark wird breit und nicht stark.‘ So sehe ich das auch: Als Freund der Reduktion in der Werbung empfinde ich es als die größere Kunst, eine Story in deutlich weniger Zeit auf den Punkt zu bringen. 30 Sekunden sind für mich ein kleiner Luxus, 20 Sekunden die Norm, 15 Sekunden und darunter die absolute Herausforderung.“

„Generell muss man vor der Wahl einer Länge das gewünschte Ziel definieren“, sagt Fedja Burmeister, Client Service Director bei Jung von Matt/Donau auf Anfrage von ExtraDienst. „Lange Spots haben die Kraft zu emotionalisieren, Kurz-Spots dienen eher der Informationsverbreitung.“ Prägnanter noch sagt es Rudi Kobza, Geschäftsführer von Kobza and the Hungry Eyes: „Nur die Idee entscheidet.“ 

Christoph Bösenkopf von Wirz meint hingegen: „Ich bin ein großer Freund überformatiger Spots. Zum Glück liegt es auch in unserer Hand, diese unseren Kunden zu empfehlen, da wir ja auch Media anbieten und somit die Chance haben, die Vorteile dieses Formates mit dem Kunden zu diskutieren. Was sind also die Vorteile? Ganz einfach: Je länger die Spots, desto höher der Impact. Klingt logisch, wird aber sehr oft übersehen.“

Die Attitüde gegenüber dem langen Spot könnte unterschiedlicher nicht sein. Und doch gibt es dabei kein „Richtig oder Falsch“. Im Gegenteil spricht jede ausgedrückte Attitüde vom individuellen Stil der jeweiligen Agentur. Dies entspricht auch einem wesentlichen Faktor des Werbeerfolgs, wie eine Studie zum Thema Werbewirkung im Auftrag des TV-Vermarkters IP Deutschland belegt. Dem Ergebnis zufolge lässt sich die Werbewirkung nicht ausschließlich in Zahlen, Fakten und Benchmarks messen. Ein wesentlicher Teil beruht auf den gespeicherten Inhalten des Unterbewussten. Diese Milliarden von Bits sind gelagert in unserem Gehirn und wirken nachdrücklich auf die Art und den Erfolg der Werberezeption. Dies zu erkennen und umzusetzen entspricht wiederum dem Stil – und den daraus getroffenen Entscheidungen – der Agenturen. 

„Bei Jung von Matt glauben wir an zwei Arten, wie Kommunikation wirkt: Unterhalten, unterstützen – oder untergehen. Das gilt für alle Kanäle“, sagt Fedja Burmeister. „Ein 60-Sekünder sticht natürlich heraus, sowohl im TV-Block als auch auf sozialen Medien – wird aber nur wahrgenommen und geteilt, wenn er ankommt. Unser Igel-Weihnachtsspot ‚First Christmas‘ für die Erste Group war z.B. 97 Sekunden lang und wurde 150 Millionen Mal gesehen – weil er definitiv unterhalten und berührt hat. Die Frequenz hat sich da auch organisch ergeben.“

„Über den Erfolg einer TV- bzw. Bewegtbild-Kampagne entscheidet ausschließlich die Idee, das Format und nicht die Länge“, meint Rudi Kobza. „So gibt es z.B. die von uns produzierten Admiral-Spots mit David Hasselhoff von 20 bis 30 Sekunden und die Videokampagne ‚Tagwache mit Kratky‘ für das österreichische Bundesheer mit rund fünf Minuten Länge. Und beide sind überdurchschnittlich erfolgreich. Es kommt also immer auf die Einbettung in eine Gesamtkampagne an und um die Kontinuität, da es immer darum geht, beständige Kampagnen und Formate mit Tragfähigkeit zu schaffen.“

Einen wesentlichen Vorteil des 60-Sekunden-Spots hat Christoph Bösenkopf bereits genannt: Impact. „Außerdem gibt dieses Format die Chance, ganze Geschichten zu erzählen und Spannung aufzubauen – natürlich vorausgesetzt, die Spots sind gut gemacht. Ich möchte hier als Referenz unsere Serie für SPAR Premium mit Pierce Brosnan anführen. Wir starten den Flight mit 60 Sekunden, setzen dann aber auch kurze Formate – bis zu 25 Sekunden – ein. Damit kommt auch im kürzeren Format die ganze Story rüber und holt den Konsumenten ab.“

Jana David-Wiedemann stimmt diesem Ansatz zu: „Aus kommunikativer Sicht hat ein 60-Sekünder natürlich hohen Impact und ist sinnvoll für eine erhöhte Sichtbarkeit bei New News, z.B. als Kick-off zu einer neuen Kampagne. Ein ungewöhnlich langer TV-Spot kann eine erholsame Unterbrechung im üblichen, sehr flotten Werbeblock sein. Jedoch ist der Effekt auch zeitlich beschränkt.“ Und sie setzt fort: „Wir müssen uns immer die Gesamtstory ansehen, die wir für unsere Marken dem Endkunden erzählen möchten“, sagt Jana David-Wiedemann. „Mal ist das ein TV-Spot, mal ist es ein digitaler Film, bei dem wir budgetbewusst und zielgruppenaufmerksamkeitstechnisch im Web in der Regel länger sein können. Oder es ist eine geschickt durchdachte Kombination, bei der TVC und digitaler Film zusammenspielen.“

Von Thomas Königshofer

Lesen Sie den ganzen Artikel im neuen ExtraDienst

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