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Der Marathon-Mann

Er ist gekommen, um zu bleiben. Kämpferisch und alles andere als amtsmüde präsentiert sich ORF-General Roland Weißmann im deftigen Exklusiv-Interview.
©privat

Schrom-Malaise, herandräuendes Finanz-Desaster mit kumuliert 200 Millionen Abgang (Worst Case-Szenario, kumuliert über die drei Jahre 2024, 2025 und 2026 ohne Maßnahmen, ergeben ca. 200 Mio. Fehlbetrag für den ORF), Licht ins Dunkel-Gemunkel etc.: Den ORF beutelt’s. Jetzt spricht Roland Weißman Klartext. 

Ein ruhiger Advent? Von wegen. In der Branche geht’s rund. Und – am lautesten ließ ORF-Generalsekretär Roland Weißmann den Blätterwald rauschen. Ende November warnte er vor „einer der größten Finanzkrisen“, vor der sein ORF stünde. Ein Vorstoß, um mehr Gebühren herauszuschlagen, unkten die Medien-Beobachter. Postwendend folgte die Frage, ob man angesichts dieses Szenarios den ORF nicht zurechtstutzen, verkleinern, einzelne Sender einstelle solle. War der Vorstoß des Generals sohin ein Bumerang? Mit dem Effekt, statt mehr Geld weniger ORF zu generieren? Wäre es besser gewesen (der Wrabetz hätte das anders gemacht, diplomatischer), sensibler an die Sache heranzugehen?

„Nein“, poltert Weißmann im (autorisierten) Gespräch mit mir. Viele in den Medien hätten nicht begriffen, worum es da in Wahrheit geht. Weißmann meint, er sei vom Gesetz her verpflichtet, nicht nur jedes Jahr ein Budget für das darauf folgende dem Stiftungsrat vorzulegen. Sondern auch, um die Finanzierung planbarer zu machen, eine Fünf-Jahres-Vorschau zu erstellen. Weißmann: „Dazu bin ich als Generaldirektor verpflichtet.“

Und dies zeige eine deutliche Finanzierungslücke. „Wenn wir nicht mehr Geld bekommen und sich die Lage entspannt in Kombination mit Sparmaßnahmen, die wir  selber setzen.“ Die Lücke klaffe deshalb, weil die Gebühren auf fünf Jahre im Voraus festgelegt werden. Der Stichtag für die Berechnung der aktuellen Gebühreneinnahmen war Mitte 2021. Weißmann: „Da lag die Inflation noch bei rund zwei Prozent. Und genau die hat man auch eingepreist. Bei einer Inflation von rund zehn Prozent fehlen da eben gute acht Prozentpunkte“, rechnet der General vor. 

In echtem Geld seien das bei einer Milliarde Gebührengeld rund 80 Mio. Euro, die an Mehrkosten entstünden, aber nicht abgegolten würden. Das zu stemmen, sei ohne substanzielle Einsparungen nicht möglich. Die würden aber auch die Zulieferer und die Kulturbetriebe treffen. 

„Mein Anliegen war es, ein Signal zu senden“, erläutert Weißmann. „Bei fiktionalen Produktionen haben wir etwa einen Vorlauf von zwei bis drei Jahren. Auch die Kulturbetriebe müssen mittelfristig planen.“ Und beide, so tönt der ORF-Chef, müssten dann wohl zwangsläufig mit ausbleibenden Geldern des Öffentlich-Rechtlichen rechnen. Auch die heimische Filmwirtschaft, die derzeit jährlich 100 Mio. Euro vom ORF erhält, müsste dann auf dieses Geld verzichten. 

Weißmann: „Bei dem Portfolio, das wir jetzt anbieten, fehlen einfach die rund acht Prozent pro Jahr. Gleichzeitig muss ich aber ausgeglichen bilanzieren. Und das werde ich auch 2024 schaffen. Nur wird das Portfolio dann nicht mehr in dieser Form aufrecht zu erhalten sein. Wobei wir um maximale Einsparungen möglichst ohne Qualitätsverlust bemüht sein werden.“ Folgewirkungen: Gekürzt werde dann in all jenen Bereichen, die gesetzlich nicht vorgeschrieben sind.

Die Befürchtung, dass daraus die Berechtigung entsteht, den ORF zu stutzen oder zu zerschlagen, hegt Weißmann nicht. Dafür sei das Medienunternehmen zu relevant, ist er überzeugt. Weißmann: „In Österreich kommen täglich 6,4 Millionen Menschen zumindest einmal in irgendeiner Form mit dem ORF in Kontakt. Im Fernsehen haben wir einen Marktanteil von rund 35 Prozent. Im Radio von rund 70 Prozent. Und mehr als eine Million Leser auf ORF.at. Der ORF kommt bei den Österreichern nach wie vor bestens an. Er ist nicht gewinnorientiert und macht Dinge, die andere eben nicht machen“, wirbt er für „sein“ Unternehmen. Doch nicht nur das spräche für eine Stärkung des ORF, so der General. Und verweist auf die internationale Situation. Dabei ginge es vor allem um die jungen Menschen. Es seien in erster Linie die sozialen Medien, in denen Jugendliche Kommunikation und Berichterstattung konsumieren. „Wollen wir eine Gesellschaft sein, die all das jenen sozialen Medien überlässt, deren Eigentümer in den USA und in China sitzen?“, wird er emotional. Um diesem Szenario seine Idee eines europäischen öffentlich-rechtlichen Raumes entgegenzusetzen. Wo man mehr biete als nur Unterhaltung. Wo auch die Kultur breiten Raum hat.

Sein Sendeangebot verteidigt der General vehement: „Wir leisten uns einen Radiosender wie Ö1, einen der erfolgreichsten Kultursender Europas, und das werbefrei. Kein gewinnorientiertes Unternehmen würde über Kunst und Kultur so berichten, wie wir es tun. Kein privates Unternehmen würde die österreichische Filmwirtschaft so fördern wie wir. Kein privates Unternehmen berichtet, so wie wir auf Sport+, über 70 Sportverbände in Österreich, von Volleyball über Basketball und Handball bis Boxen oder Skeleton, und fördern damit auch Randsportarten.“ 

Während sich also Weißmann gegen politisches und wirtschaftliches Unbill aufmunitioniert, geht’s am Küniglberg innerbetrieblich rund. Medien-Hype: die Affäre Matthias Schrom. Der TV News-Chefredakteur stolperte über eine Chatunterhaltung mit Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Darin meinte Schrom, von Strache auf eine ZiB24-Ausgabe angesprochen: „Das ist natürlich unmöglich. Du weißt, ich bin ja nur für ORF 2 zuständig. ORF 1 (das noch viel linker ist) gehört ja Lisa Totzauer (und Wolfgang Geier).“ Nach Auffliegen der Chats verteidigte sich Schrom damit, dass der regelmäßige Austausch mit Spitzenpolitikern zum Anforderungsprofil eines Chefredakteurs gehöre und er sich der Tonalität seines Gegenübers angepasst habe. Dennoch gibt auch er zu, dass die „Außenwirkung“ unglücklich sei. Und zog letztendlich die Konsequenz. 

Als Chefredakteur sei er wohl nicht mehr zu halten, konzediert Weißmann. Dennoch: Interventionen wurde nie stattgegeben und Schrom habe gute Arbeit geleistet, wofür er sich auch bei ihm bedanke, findet Weißmann klare Worte. 

Dass Schrom jedenfalls sein Handwerk versteht, attestieren ihm auch viele, die nicht gerade durch parteipolitisch abgeblendete Brillen unterbelichtet sind. Denn der Mann – bei all seiner politischen Ungeschicklichkeit und dem Faktum, dass er halt, was unbestritten ist, ein politischer Karrierist und Leitern-Erklimmer ist – kann durchaus etwas. Solche Mitarbeiter lässt man nicht gerne ziehen. Freilich dröhnt es von ORF-Insidern, dass Schrom zwar politisch unhaltbar wurde, jedoch nicht so einfach aus dem ORF hinauskomplimentiert werden könne. Ein gewiefter Personaljurist formuliert das gegenüber ExtraDienst so: „Dienstrechtlich hat er sich nichts zuschulden kommen lassen. Man kann Schrom nicht so einfach entfernen. Wenn er bleiben will, dann bleibt er. Wenn das vor Gericht geht, würde er wohl obsiegen.“

Das weiß auch die ORF-Führungsspitze. Fakt ist: Schiebt man ihn zum Beispiel in den Sport ab, dann wird er in der Information fehlen. Mutiert er in der Information – nach Degradierung – zum unterbelichteten Lichterl, dann wird ihn die ORF-interne Intrigen-Kamarilla der Befehlskette auffressen. Mutmaßt man. Und wer will schon Untergebener in einer Abteilung sein, deren Chef er vormals war. Angesichts dieser Überlegungen protestiert einer unserer Informanten (und der kennt sich aus beim ORF) vehement. Schrom habe politisch ausgleichend gewirkt. Er sei ein schlaues Kerlchen. Er habe sich nicht nur mit der Mannschaft, sondern auch mit der Politik gut arrangieren können. Habe einen klaren, geradlinigen Kurs gehalten. „Ich kann ihm nur vorwerfen, dass er ein äußerst ungeschickter Chatter ist. Und sich erwischen hat lassen“, grinst der ED-Informant. Ob es für Schrom im ORF eine Zukunft gibt? „Nun, jetzt ist er einmal bis Ende Februar auf Urlaub. Dann werden wir uns zusammensetzen und besprechen, ob und wie es weitergehen will“, lässt Weißmann die Türe weit offen.

Die Schrom-Affäre brachte Bewegung in die Informations-Führungsebene. Verschaffte diversen Proponenten Oberwasser. Dem Vernehmen nach allen voran Hannes Aigelsreiter, der übrigens mit ÖVP-Strippenzieher Gerald Fleischmann besser vernetzt war als sein Neo-General. Er soll versucht haben, die Gunst der Stunde zu nutzen. Hat er Weißmann attackiert? Der will sich zu diesem Thema partout nicht äußern. Hinter vorgehaltener Hand ist freilich zu hören, dass Aigelsreiter den General überhaupt nicht kratzt. „Der ist ein guter Radiochefredakteur, spielt aber kaufmännisch nicht in meiner Liga“, soll Weißmann dem Vernehmen nach geäußert haben. Bestätigen will der General diesen Sager  – trotz mehrmaligem Nachfragen – nicht. Und: Die Radioleute, jüngst in die Informationszentrale auf dem Küniglberg gesiedelt, wollen sich ebenso stärken wie die Online-Partie. Die sich stets als Stiefkinder im ORF verstanden fühlten.

Die wiedererstarkte Lisa Totzauer, die nach ihrem Schlagabtausch mit Weißmann vor dessen Bestellung mit Grandezza wieder die Einladungspolitik in die Magazine übernommen hat, fühlt sich stärker denn je. Was sich freilich ändern könnte, wenn das, was HC Strache in einer TV-Sendung bei Corinna Milborn äußerte, verstärkt die Runde macht. Der dort interviewte ehemalige Vizekanzler, von dem man halten kann, was man will und dessen Glaubwürdigkeit nicht gerade Bibelstandard hat, äußerte dort höchst Interessantes: Sowohl Totzauer als auch Ex-Radiodirektor Karl Amon hätten bei Strache interveniert. In eigener Sache. Die Reaktion darauf ORF-intern: bescheiden. Rascheln im Blätterwald der Medien: nicht erfolgt. Erstaunlich. Denn wenn’s wahr ist, dann hätte Strache bei Milborn den Beweis dafür geliefert, dass die von Schrom getätigte Äußerung „aber dafür ist doch Frau Totzauer zuständig“ von der Karriere-Bombe Strache gegenüber exekutiert worden war. Wenn’s stimmt. Und zeitlich passen sollte. Und – wenn es keine Erfindung des Königs von Ibiza ist. 

Und dann ist da noch die Sache mit der Spendenaktion „Licht ins Dunkel“. Wobei empathische Außenstehende es als durchaus erbärmlich ansehen, dass just ORF-intern „Licht ins Dunkel“ angepatzt wird, mit dem vorrangigen Ziel, Pius Strobl zu beschädigen. Der machte auch noch anderweitig jüngst auf sich aufmerksam: Und zwar mit seinem Nebenjob als Geschäftsführer des Vereins für den Spittelberger Weihnachtsmarkt. Den medialen Vorwurf, sich von den Einnahmen, die bis zu 450.000 Euro ausmachen würden, auch noch eine Aufwandsentschädigung zu zahlen, kontert Strobl auf Exxpress.at damit, dass mit dem Geld, das nach Gebühren und Steuern sowie Reinigungs- und Securityausgaben noch übrig bleibe, Rücklagen gebildet würden. Ihm selbst bleibe nichts. Das könne man auch in seinem Steuerbescheid nachlesen.

Genug Zoff für den General. Ein gewaltiges Paket, das da auf seinem Rücken lastet. Da würde wohl der eine oder andere hinwerfen. Verzweifeln. Schluss machen. Abhauen. Und tatsächlich tönt aus dem ORF das Gerücht, Weißmann sei angezählt, angeschlagen, knapp davor, hinzuschmeißen. Doch der, darauf angesprochen, dementiert kraftvoll und vehement mit einer Sport-Metapher: „Ich bin ein Marathonläufer. So einer teilt sich seine Kräfte genau ein. Natürlich befinden wir uns in einer schwierigen Zeit. Aber der ORF ist nach wie vor das tollste Medien-unternehmen, das es gibt. Und selbst, wenn ich alles vorhergesehen hätte, was da auf uns zukommt – ich hätte mich beworben. Ich hätte es gemacht.“ Das eine oder andere Störmanöver könne ihn nicht davon abhalten, seine Ziele zu verfolgen. „Ich lasse mich nicht beim ersten Gegenwind ins Bockshorn jagen. Ich bin für fünf Jahre gewählt. Das sitze ich aus“, so Weißmann klar im Gespräch.

Womit Ihnen schöne Feiertage mit gleich viel Kraft wie Weißmann für 2023

Ihr

Christian W. Mucha

Herausgeber

wünscht.

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