Ein Abend mit Hoffnung

Sie ist in alles anderem als einem guten Zustand – die heimische Medienbranche.

Jeden Tag grassieren neue Hiobsbotschaften: Die Druckerei Herold sperrt zum Jahresende. Und dies schieben die auf die Einstellung der Wiener Zeitung (dabei dürfte es in Wahrheit so sein, dass mit dem Wegfall des Auftrags der Tageszeitung „Heute“ das entscheidende Druckvolumen nicht mehr erreicht werden kann, um profitabel zu arbeiten). Der Holzbaum Buchverlag veranstaltet ein Crowdfunding (!), damit er nicht das Zeitliche segnet. Und die Wiener Zeitung ist Geschichte. Zumindest in gedruckter Form.

Doch am 5. Juli gab es eine Veranstaltung mit über 1.200 Gästen, die so etwas wie Hoffnung keimen lässt: 175 Jahre Die Presse. Und alles, was Rang und Namen hat, war erschienen. Selbst Oscar Bronner gab sich die Ehre, seinem schärfsten Widersacher zu gratulieren.

26. April 2024
© Clemens Fabry „Die Presse“

Im Gegensatz zur „Wiener Zeitung“ macht Die Presse das clever. Mag. Herwig Langanger, genialer Verhandler, Netzwerker und Stratege, was Marketing betrifft, hat ein Portfolio von über 60 Einzelprodukten aufgebaut. Damit kommt Werbegeld herein. Und nur damit hat man eine Chance auf Zukunft. Die Presse ist digital zwar nicht optimal aufgestellt, hat in der Chefredaktion den Abgang von Rainer Nowak mehr als gut verkraftet und ist mit den Chefredakteuren Florian Asamer, Hanna Kordik (stv.) und Christian Ultsch (stv.) gut aufgestellt. Und hat damit so etwas wie eine Zukunft. Und das lässt sich nur von wenigen Medien hierzulande (noch) behaupten.

26. April 2024
© Clemens Fabry „Die Presse“

In den Festansprachen wurde mehrmals Karl Kraus bemüht. Und Bruno Kreisky, dessen Rede zum 125. Jubiläum seinen Grant auf die alte Dame deutlich widerspiegelte, und die von Schauspielerin Mavie Hörbiger vorgetragen wurde, war alles stimmig und amüsant. Dazu hervorragendes Catering im Kursalon Hübner.

Und so lässt sich als Resümee ziehen: Dieser Abend war wichtig. Dieser Abend gibt Hoffnung. Für uns alle in der Branche.

Die Gastgeber Mag. Herwig Langanger (Vorstand Styria Media Group, Vorsitzender der Geschäftsführung „Die Presse“), Andreas Rast (Geschäftsführer „Die Presse“) und Mag. Florian Asamer (Chefredakteur „Die Presse“) freuten sich über einen gelungenen Abend.

26. April 2024
© Clemens Fabry „Die Presse“

Unter den prominenten Gästen befanden sich unter anderem: Alexander Van der Bellen (Bundespräsident), Andreas Matthä (Vorsitzender ÖBB), Sigrid Maurer (Klubobfrau Die Grünen), Erwin van Lambaart (Generaldirektor Casinos Austria), Werner Kogler (Vizekanzler, Die Grünen), Jasmin Soravia (Geschäftsführerin Kollitsch&Soravia Immobilien GmbH), Mag. Dr. Othmar Ederer (Vorstandsvorsitzender Grazer Wechselseitige), Mag. Robert Lasshofer(Vorstandsvorsitzender Wiener Städtische), Markus Hengstschläger (Genetiker), Mavie Hörbiger (Schauspielerin), Beate Meinl-Reisinger (Klubobfrau NEOS), Alma Zadić(Justizministerin, Die Grünen), Susanne Raab (Medienministerin, ÖVP), Magnus Brunner (Finanzminister, ÖVP), Karoline Edtstadler (Verfassungsministerin, ÖVP), Helmut Fallmann (Vorstandsvorsitzender Fabasoft), Kristina Hammer (Präsidentin der Salzburger Festspiele), Friedrich Rödler (Vorsitzender des Aufsichtsrats Erste Group Bank AG), Leonhard Schitter (CEO Energie AG Oberösterreich), Christine Catasta (Aufsichtsratsvorsitzende der Bundesimmobiliengesellschaft), Agatha Kalandra (Markets Leaderin und Vorstandsmitglied von PwC Österreich), Roland Weißmann (Generaldirektor des ORF), F. Peter Mitterbauer (Vorstandsvorsitzender der Miba AG), Elisabeth Gürtler (Eigentümerin Alpin Resort Sacher Seefeld), Franz Gasselsberger (Generaldirektor der Oberbank), Thomas Arnoldner (CEO A1 Telecom Austria Group) und Josef Pröll (Generaldirektor der Leipnik-Lundenburger Invest Beteiligungs AG).

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V.r.n.l.: Mag. Dr. Othmar Ederer (Vorstandsvorsitzender Grazer Wechselseitige), Mag. Robert Lasshofer (Vorstandsvorsitzender Wiener Städtische), Christian und Ekaterina Mucha (ExtraDienst-Verlegerpaar) / © Katharina Schiffl

Ende schlecht, alles gut

Es hat alles nichts geholfen. Die Petitionen, die Proteste, die Unterschriftenaktionen. Die Wiener Zeitung hat ihr Print-Erscheinen eingestellt. Ich habe dazu – auch wenn dies unpopulär sein mag – meine ganz eigene Meinung. Und die begründet sich auf dem gesunden Hausverstand, wirtschaftlichen Fakten und persönlichen Erkenntnissen: Natürlich ist es schade, wenn die älteste Zeitung der Welt das zeitliche segnet. Freilich – der Tod gehört zum Leben. Alles stirbt. Früher oder später. Die Frage stellt sich da, ob man etwas, was nicht mehr lebensfähig ist, künstlich am Leben erhalten soll? Auf Kosten von uns allen.

Ich glaube nicht daran.

Abgesehen davon, dass ich es schon immer für kranken Wahnsinn gehalten habe, dass es ein Amtsblatt gibt, in dem man kostenpflichtig – nur um dort einen sauteuren Apparat zu erhalten – jeden neuen Prokuristen anzeigen muss. Dabei gäbe es seit Jahrzehnten (!) bessere und zeitgemäßere (digitale) Möglichkeiten, dies zu annoncieren.

Während die Pflichtveröffentlichungen jährlich mehr als drei Viertel der Einnahmen der Wiener Zeitung von insgesamt rund 20 Millionen Euro ausmachten, gibt’s die Möglichkeit zur Veröffentlichung heute kostenlos online auf der elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform EVI.gv.at. Ein guter Staat sollte seinen Bürgern diesen Service schließlich auch kostenfrei ermöglichen. Denn wofür zahlen wir Steuern.

Zum anderen ist mir die Wiener Zeitung nie so sehr ans Herz gewachsen. Natürlich ist es fein, wenn es Qualitätsjournalismus gibt. Aber es hat schon seine Gründe, warum die Leserschaft der ältesten Zeitung der Welt so verschwindend armselig war – so bewegte man sich gegen Ende bei etwa 7.000 Abos und 8.000 bis 10.000 täglichen Verkäufen. Nicht gerade berauschend, welches Zeugnis die Leser diesem Blatt ausgestellt haben.

Lassen Sie mich die „Klüngel“ der Wiener Zeitung an persönlichen Beispielen belegen. Wann immer wir versucht haben, jemandem, der dort wegging, ein Angebot zu machen, ihn aufzufangen oder ihm einen Platz in unserem Team anzubieten, sind wir damit kläglich gescheitert.

Denn marktgerecht waren die Gehälter dort nicht. Wenn du mit einem von der Wiener Zeitung versucht hast zu verhandeln und ein marktgerechtes Angebot gelegt hast, dann hat der laut losgelacht: Denn seine Gage lag in der Regel beim zweieinhalbfachen dessen, was in der Branche bezahlt wird. Mindestens.

Da gibt es ein paar Medienhäuser hierzulande, die ähnlich gestrickt sind: Beim Wirtschaftsverlag etwa bekommt ein Abteilungsleiter in der Verwaltung 70.000 im Jahr.

Und dann wundert man sich, wenn die einen Sanierungsverwalter engagieren, und wenn von 50 Fachzeitschriften gerade nochmal acht beim Wirtschaftsverlag übergeblieben sind.

Das Sterben der Wiener Zeitung ist bedauerlich.

Aber soll man etwas künstlich am Leben erhalten, was nicht mehr lebensfähig ist? Forstinger ist jetzt zum dritten Mal hops gegangen. Jedes Mal wurde der saniert übernommen (will heißen: die Lieferanten sind um ihre Kohle zum Großteil umgefallen) und wieder neu aufgestellt. Und keiner hat ernsthaft darüber nachgedacht, dass das Konzept, Autozubehör in einem Fachmarkt zu verkaufen, längst überholt ist. Man redet sich dort auf die Pandemie aus. Nein, die war‘s nicht.

Was zum Sterben verurteilt ist, das soll man in aller Würde zu Grabe tragen. Weshalb ich – bitte vergeben Sie mir meine Ehrlichkeit – der Wiener Zeitung zwar ein paar Tränen nachweine, die Entscheidung, sie nicht weiter zu betreiben, freilich aber für eine richtige halte.

Wie es mit der Zeitungsbranche generell weitergeht? Nun, wohl ähnlich: der Markt ist gnadenlos. Und gnadenlos gerecht. Und künstlich kannst du nichts und niemanden am Leben erhalten.

Christian W. Mucha

Herausgeber