Ende schlecht, alles gut

Es hat alles nichts geholfen. Die Petitionen, die Proteste, die Unterschriftenaktionen. Die Wiener Zeitung hat ihr Print-Erscheinen eingestellt. Ich habe dazu – auch wenn dies unpopulär sein mag – meine ganz eigene Meinung. Und die begründet sich auf dem gesunden Hausverstand, wirtschaftlichen Fakten und persönlichen Erkenntnissen: Natürlich ist es schade, wenn die älteste Zeitung der Welt das zeitliche segnet. Freilich – der Tod gehört zum Leben. Alles stirbt. Früher oder später. Die Frage stellt sich da, ob man etwas, was nicht mehr lebensfähig ist, künstlich am Leben erhalten soll? Auf Kosten von uns allen.

Ich glaube nicht daran.

Abgesehen davon, dass ich es schon immer für kranken Wahnsinn gehalten habe, dass es ein Amtsblatt gibt, in dem man kostenpflichtig – nur um dort einen sauteuren Apparat zu erhalten – jeden neuen Prokuristen anzeigen muss. Dabei gäbe es seit Jahrzehnten (!) bessere und zeitgemäßere (digitale) Möglichkeiten, dies zu annoncieren.

Während die Pflichtveröffentlichungen jährlich mehr als drei Viertel der Einnahmen der Wiener Zeitung von insgesamt rund 20 Millionen Euro ausmachten, gibt’s die Möglichkeit zur Veröffentlichung heute kostenlos online auf der elektronischen Verlautbarungs- und Informationsplattform EVI.gv.at. Ein guter Staat sollte seinen Bürgern diesen Service schließlich auch kostenfrei ermöglichen. Denn wofür zahlen wir Steuern.

Zum anderen ist mir die Wiener Zeitung nie so sehr ans Herz gewachsen. Natürlich ist es fein, wenn es Qualitätsjournalismus gibt. Aber es hat schon seine Gründe, warum die Leserschaft der ältesten Zeitung der Welt so verschwindend armselig war – so bewegte man sich gegen Ende bei etwa 7.000 Abos und 8.000 bis 10.000 täglichen Verkäufen. Nicht gerade berauschend, welches Zeugnis die Leser diesem Blatt ausgestellt haben.

Lassen Sie mich die „Klüngel“ der Wiener Zeitung an persönlichen Beispielen belegen. Wann immer wir versucht haben, jemandem, der dort wegging, ein Angebot zu machen, ihn aufzufangen oder ihm einen Platz in unserem Team anzubieten, sind wir damit kläglich gescheitert.

Denn marktgerecht waren die Gehälter dort nicht. Wenn du mit einem von der Wiener Zeitung versucht hast zu verhandeln und ein marktgerechtes Angebot gelegt hast, dann hat der laut losgelacht: Denn seine Gage lag in der Regel beim zweieinhalbfachen dessen, was in der Branche bezahlt wird. Mindestens.

Da gibt es ein paar Medienhäuser hierzulande, die ähnlich gestrickt sind: Beim Wirtschaftsverlag etwa bekommt ein Abteilungsleiter in der Verwaltung 70.000 im Jahr.

Und dann wundert man sich, wenn die einen Sanierungsverwalter engagieren, und wenn von 50 Fachzeitschriften gerade nochmal acht beim Wirtschaftsverlag übergeblieben sind.

Das Sterben der Wiener Zeitung ist bedauerlich.

Aber soll man etwas künstlich am Leben erhalten, was nicht mehr lebensfähig ist? Forstinger ist jetzt zum dritten Mal hops gegangen. Jedes Mal wurde der saniert übernommen (will heißen: die Lieferanten sind um ihre Kohle zum Großteil umgefallen) und wieder neu aufgestellt. Und keiner hat ernsthaft darüber nachgedacht, dass das Konzept, Autozubehör in einem Fachmarkt zu verkaufen, längst überholt ist. Man redet sich dort auf die Pandemie aus. Nein, die war‘s nicht.

Was zum Sterben verurteilt ist, das soll man in aller Würde zu Grabe tragen. Weshalb ich – bitte vergeben Sie mir meine Ehrlichkeit – der Wiener Zeitung zwar ein paar Tränen nachweine, die Entscheidung, sie nicht weiter zu betreiben, freilich aber für eine richtige halte.

Wie es mit der Zeitungsbranche generell weitergeht? Nun, wohl ähnlich: der Markt ist gnadenlos. Und gnadenlos gerecht. Und künstlich kannst du nichts und niemanden am Leben erhalten.

Christian W. Mucha

Herausgeber